Bildnachweis: Standortagentur Tirol

Innovation

Stefan Grabher (Paptex/Mary Rose), Martin Traxl (Land Tirol), Mona Abdel Azim (monmarina), Anna Köhl (think ronda), Christoph Grud (Design), Lena Steger (BMK), Marcus Hofer (Standortagentur Tirol), Helmut Stanzl (Adler Lacke), Simon Zwick (Design), David Frischhut (Design) und David Minatti-Krauhs (seedcup) beim Kick-Off der Circular Design Week Tirol.

Gemeinsam Kreisläufe schließen

28.07.2022
Circular Economy - von der Utopie zur Realität? Mit dieser Frage startete Anna Köhl (think ronda) ihre Keynote bei der diesjährigen Circular Design Week Tirol. Die Fakten sprechen für sich: Rohstoffe sind endlich und aktuell bleiben nur 8 % der Rohstoffe im Kreislauf. Der Handlungsbedarf weg von einer linearen hin zu einer kreislauffähigen Wirtschaft ist also klar. Die Herausforderung ist jedoch, wie der Systemwandel in der Praxis gelingen kann.

Die Circular Design Week Tirol widmete sich daher 2 Wochen lang ganz dem Thema Kreislaufwirtschaft – aus verschiedenen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Herangehensweisen. Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft ist ein Systemwandel, der ein ganzheitliches Umdenken auf mehreren Ebenen erfordert - von linearen Prozessen zu kreislauffähigen Produkten und Produkt-Service-Systemen. Aber auch die Rahmenbedingungen müssen entsprechend gestaltet sein, um Kreislaufwirtschaft als Enabler für eine nachhaltige Zukunft zu etablieren. Denn Klimaneutralität wird nur durch Verstärkung der Kreislaufwirtschaft und damit einhergehender Senkung des Verbrauchs von Rohstoffen möglich sein.

Der Systemwandel muss auf allen drei Ebenen stattfinden: Politik, Produzent:innen und Konsument:innen. Nur wenn alle gemeinsam Maßnahmen setzen, kann es gelingen.

Anna Köhl, think ronda

Circular Design ermöglicht es, innovative und nachhaltige Produkte so zu entwickeln, dass alle Komponenten nach Ablauf der Lebensdauer vollständig wieder verwendet werden können und somit alle Rohstoffe im Kreislauf bleiben.

Nachhaltigkeit per Design auf EU-Ebene
Lena Steger vom Bundesministerium für Klimaschutz gab einen Ausblick zur neuen Ökodesign Verordnung (Verordnung zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte), die derzeit auf europäischer Ebene verhandelt wird. Sie soll Anreize für Unternehmen schaffen, ihre Produkte so zu entwickeln, dass sie langlebig und kreislauffähig sind. Bisher gab es Ökodesign-Vorgaben für energieverbrauchsrelevante Produkte. Nun sollen die Vorschriften auf fast alle Produkte ausgedehnt werden und eine größere Palette an Ökodesign-Anforderungen gelten, welche Kreislaufwirtschaft, Energieeffizienz und andere Nachhaltigkeitsaspekte erheblich verbessern.

Die Ökodesign Anforderungen umfassen Punkte wie Langlebigkeit; Wiederverwendbarkeit; Reparierbarkeit, Energie- und Ressourcenverbrauch, Möglichkeit des Recyclings, sowie die Möglichkeit der Rückgewinnung von Materialien. Die Verordnung beinhaltet auch einen digitalen Produktpass, welcher unter anderem Konsument:innen besseren Zugang zu Informationen rund um die Nachhaltigkeit des einzelnen Produktes bietet. Zirkuläres Design bedeutet aber nicht nur die Neugestaltung der Produkte selbst, sondern auch der Prozesse, Dienstleistungen, Lieferketten und Geschäftsmodelle, die sie umgeben, wie Lena Steger in ihrem Vortrag verdeutlichte. 

Das Produktdesign ist für bis zu 80 % der Umweltauswirkungen eines Produktes verantwortlich, wodurch das Potential von Circular Design verdeutlicht wird. 

Lena Steger, Bundesministerium für Klimaschutz

Die Ziele der neuen Verordnung sind neben der Förderung von Innovation und zirkulären Geschäftsmodellen auch eine resiliente Wirtschaft, geringere Rohstoffabhängigkeit, sowie die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen auf dem EU-Markt.

Chancen und Herausforderungen für Unternehmen
Neben den ökologischen Vorteilen kann Kreislaufwirtschaft auch ökonomische Anreize für Unternehmen ermöglichen, wie beispielsweise Kostenreduktion und Risikominimierung am Kapitalmarkt. Die Umstellung bringt aber auch Herausforderungen abhängig von externen Faktoren, wie Bewusstsein bei Konsument:innen, regulatorische Rahmenbedingungen und notwendige Technologie und Expertise. So sind beispielsweise Investition in Entwicklung von Technologie und Datenerhebung bei Produktion und Nutzenphase notwendig, wie Stefan Pichler von Denkstatt erklärt. Zudem sei lineares Denken noch immer stark im Konsumverhalten und Lebensstil der Menschen verankert. Hier gilt es, neben gezielten Förderungen von Kreislaufwirtschaft noch mehr Bewusstsein zu schaffen.

„Es gibt unterschiedliche Circular Economy Strategien für Unternehmen. Welche die richtige ist, hängt vom angebotenen Produkt und Grad der Wiederverwertbarkeit ab“, erklärt Stefan Pichler bei seinem Vortrag auf der Circular Design Week.

XaaS als Modell für Kreislaufwirtschaft
Um den Rohstoffbedarf zu senken, braucht es nicht nur weniger Produkte, auch die Nutzung muss effizienter werden. XaaS (Everything as a Service) ist ein Konzept, bei dem Konsument:innen für die Nutzung bzw. den Zugang von Produkten zahlen. Sie können innovative Produkte nutzen, ohne sich um Entsorgung und Lebensdauer Gedanken machen zu müssen. Die Unternehmen haben gleichzeitig ein Interesse daran, Produkte möglichst langlebig und so zu produzieren, dass sie effizient genutzt werden können.

Recycling ist nicht ausreichend! Das zeigt sich am Beispiel der Automobile: selbst bei einer ambitionierten Quote von 70 % Sekundärmaterial (Recyclingmaterial) im Neubau von Autos werden wir 2050 mehr Rohstoffe für Autos brauchen als uns gem. 1,5° Ziel zur Verfügung stehen. Die Lösung? Mehr Nutzen aus weniger Produkten.

 

Bertram Kloss, SYSTEMIQ

Doch die Veränderung darf sich nicht nur auf das Geschäftsmodell beschränken, wie Betram Kloss von SYSTEMIQ betont: „Es muss der gesamte Produktzyklus von der Herstellungsphase über die Nutzung bis hin zur Wiederverwertung entsprechend gestaltet werden. Das beginnt bei der Optimierung des Materials und dessen Einsatz im Produkt und geht über optimierte Reparatur- und Wartungsservices und die optimale Wiederverwertung der Materialien“. Bei gelungener Umsetzung ist das Konzept auf mehreren Ebenen attraktiv: Konsument:innen haben besseren Zugang zu hochwertigen Produkten und diese werden effizienter designt, produziert und genutzt.

Wie es gelingen kann – Best Practices in der Outdoor Branche

Wenn Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsstrategien kommunizieren, müssen diese glaubhaft und wirkungsvoll sein. Die Cradle2Cradle Certified Zertifizierung ist ein unabhängiger Nachweis für kreislauffähige Produkte, die gänzlich (für GOLD) frei von Schadstoffen sind und vollständig wieder verwertbar sind – es entsteht also kein Abfall mehr. Albin Kälin von EPEA Switzerland, der maßgeblich an der Entwicklung von Cradle2Cradle beteiligt ist, betont bei der Circular Design Week Tirol, dass neben glaubhaftem Interesse der Unternehmen auch Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen den Unternehmen und Institutionen wichtig sind.

Produkte so zu gestalten, dass sie frei von schädlichen Inhalten sind, ist besonders in der Outdoor-Industrie rund um Funktionsmaterialien eine Herausforderung. Die Marke Pyua hat einen Weg gefunden, wasserabweisende und atmungsaktive Materialien so herzustellen, dass sie vollständig recycelbar sind. Einen imposanten Schritt in Richtung Vermeidung von Plastik haben die Hersteller Qwstion und Mover gemacht: Gemeinsam haben sie eine Hüfttasche entwickelt, die vollständig aus Naturmaterialien hergestellt wird und dabei funktionsfähig und komplett plastikfrei ist. Sie kann für unterschiedliche Sportarten genutzt werden.

Einen anderen Ansatz in Richtung Ressourcenschonung verfolgt Bergzeit, einer der größten Online-Versandhändler im DACH Raum für Bergsportartikel. Mit der neu etablierten Plattform „Bergzeit Re-Use“ soll der Second Hand Markt für Outdoor-Bekleidung und -Schuhe forciert werden. Kund:innen können die Plattform und professionellen Services des Online Shops zum Kauf und Verkauf gebrauchter Ausrüstung nutzen und profitieren von geprüften Produktbeschreibungen, sicherem Versand und Gewährleistungen.

All diese Initiativen vereint der Wunsch, etwas zu verändern und einen positiven Beitrag zu leisten. Sie zeigen, dass Veränderung möglich ist, auch wenn noch einige Herausforderungen auf dem Weg zur vollständigen Etablierung von Kreislaufwirtschaft bewältigt werden müssen.

Sie möchten mit Ihrem Unternehmen einen Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft gehen oder haben schon erste Projekte in diesem Zusammenhang umgesetzt? Die Standortagentur Tirol arbeitet als Teil der Plattform Klima, Energie und Kreislaufwirtschaft am Aufbau eines regionalen Netzwerks rund um Kreislaufwirtschaft zur Unterstützung von Unternehmen. Bei Interesse kontaktieren Sie bitte Klaus Meyer.

Tiroler Projekte und Initiativen bei der Circular Design Week Tirol

 

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