Bildnachweis: Wuppertal Institut

Experten-Talk Energie

"Die Energiewende braucht einen ganzheitlichen Ansatz" ist Manfred Fischedick überzeugt und ebenso eine konsequente Anwendung der Energieeffizienzsteigerung.

Manfred Fischedick: Die Zukunftskunst des Gestaltens

03.12.2018
Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie war Co-Autor des deutschen Politikberichts "Technologien für die Energiewende" und referierte beim Netzwerktreffen Energie des Clusters Erneuebare Energien Tirol am 21. November 2018 zu "Chancen und Herausforderungen der Energiewende aus übergeordneter Perspektive". Wir haben ihn im Vorfeld zum kurzen Gespräch gebeten.


Was genau braucht es für eine erfolgreiche Energiewende?


Manfred Fischedick:  Bei der Energiewende handelt es sich um einen vielschichtigen Transformationsprozess. Es geht einerseits um die Fortsetzung der durch den dynamischen Ausbau erneuerbarer Energien erfolgreich eingeleiteten Stromwende und die damit verbundene Anforderung der Systemintegration schwankend einspeisender Stromquellen. Hierfür ist eine deutliche Flexibilitätssteigerung im Stromsystem erforderlich. Anderseits geht es darum, in anderen zentralen Handlungsbereichen Fahrt aufzunehmen. Dies gilt für die Wärme- und vor allem für die bisher stark vernachlässigte Verkehrswende. Neue Technologien müssen im Verbund mit strukturellen Veränderungen gesehen werden wie die Stärkung des ÖPNV, des Fuß- und Radverkehrs. Hinzu kommt die Notwendigkeit, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, die in vielen Bereichen den Transformationsprozess erst ermöglicht oder zumindest beschleunigen kann. Es geht zunehmend darum, vernetzt, d.h. sektorübergreifend zu denken, was eine stärkere Elektrifizierung in vielen Anwendungsfeldern bzw. die Erzeugung und Bereitstellung synthetischer Kraft- und Brennstoffe bedeutet. Die Gestaltung der Energiewende braucht einen ganzheitlichen Ansatz, eine rein technologische Perspektive greift deutlich zu kurz. Es geht um das richtige Zusammenspiel zwischen technischen, ökonomischen, politischen, kulturellen und sozialen Aspekten. Wir nennen diesen Zusammenschluss „Zukunftskunst“ des Gestaltens.


Wo sehen Sie das größte Potenzial?


Fischedick: Auf der Basis der heute verfügbaren Technologien könnte der Strombedarf um 20 Prozent oder mehr gesenkt werden, der Heizenergiebedarf kurzfristig halbiert werden. Die Ausschöpfung dieser Potenziale ist essenziell, um den verbleibenden Bedarf durch erneuerbare Energien decken zu können. Ohne eine konsequente Anwendung der Energieeffizienzsteigerung reichen nicht nur die heimischen Wind- und Solarenergiepotenziale nicht aus, noch kann die Energiewende kostengünstig gestaltet und die Eingriffe in das Landschaftsbild in Grenzen gehalten werden.


Und wo die dringendst zu lösenden Fragen?


Fischedick: In Deutschland dreht sich zurzeit energiepolitisch vieles um das Thema Kohleausstieg. Zentrale Aufgabe der im Sommer gegründeten „Strukturwandelkommission“ ist einerseits die Formulierung eines Ausstiegszeitpunktes bzw. -korridors, anderseits Vorschläge für einen sozialverträglichen Strukturwandel in Kohlerevieren und an Kraftwerksstandorten zu machen, der auch die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie nicht beeinträchtigt. Gelingt es diesen Dreiklang zu bewerkstelligen, dann wäre eine multiplikationsfähige Blaupause für viele Kohleregionen weltweit geschaffen. Der Einstieg in die Mobilitätswende ist schon angesprochen worden, der sich als überfällig darstellt. Maßgeblich ist hier u.a. eine stärkere internationale Vernetzung um die Entscheidung des Kraftstoffes der Zukunft. Technologisch steht die Weiterentwicklung der Sektorenkopplungstechnologien hoch auf der Agenda sowie die damit verbundene Entwicklung von Langzeitspeichersystemen.

 

Dieser Beitrag erscheint soeben im „Standort Tirol“, Ausgabe 03/2018. Die gesamte Ausgabe mit weiteren Nachrichten aus dem Innovations- und Technologieland Tirol lesen Sie online hier.

 

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