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Innovation

Wasserstoff spielt eine wichtige Rolle in zahlreichen industriellen Anwendungen. Im Expert:innen-Workshop ging es darum, wie grüner Wasserstoff in der Industrie eingesetzt werden kann.

Technology Insight: Wasserstoff in industriellen Anwendungen

03.03.2023
In Zusammenarbeit mit seinen Kooperationspartnern WIVA P&G und HyCentA veranstaltete Hydrogen Austria kürzlich den Expert:innen-Workshop "Wasserstoff in industriellen Anwendungen". Speaker aus Forschung und Wirtschaft zeigten auf, wie grüner Wasserstoff bestmöglich zur Dekarbonisierung des Energie- und Wirtschaftssystems eingesetzt werden kann.

Über 80 Interessierte aus zahlreichen Unternehmen nahmen am Technology-Insight teil, welcher am am 2. März 2023 online abgehalten wurde. Hydrogen-Austria-Clustermanagerin Magdalena Lindl eröffnete die Veranstaltung und stellte kurz das Programm der rund dreistündigen Veranstaltung vor.

Im ersten Beitrag präsentierte Erwin Reichel von WIVA P&G, wie Österreichs Weg zur Klimaneutralität mithilfe erneuerbarer Gase aussehen könnte. Hierbei spielt neben Biomethan vor allem Wasserstoff eine wichtige Rolle. Gemein ist allen Prozessen, dass sie elektrische Energie benötigen, die aus erneuerbaren Quellen stammen sollte. heute steht diese nur unzureichend zur Verfügung.

WIVA P&G geht davon aus, dass in Zukunft in etwa 1,2 Mio. Tonnen Wasserstoff pro Jahr  in Österreich gebraucht weren. Würden davon nur 50 Prozent im Inland erzeugt, würden pro Jahr 50 TWh Energie gebraucht, das entspricht 40 Quadratkilometer PV-Anlagen oder 4.000 Windrädern. Es ist also wichtig, die erneuerbaren Energieträger schnell auszubauen, aktuell wird deutlich zu wenig hergestellt.

Anschließend präsentierte Reichel die Projekt-Landkarte der WIVA. Auf dieser sind die wesentlichen Wasserstoff-Projekte Österreichs verzeichnet. Aktuell gibt es Vorhaben in den Bereichen Stahl-Erzeugung, Mobilität und Sektorkopplung. Österreich sei eine prädestinierte Region für H2-Projekte. Denn das Land liegt zentral in Europa und fungiere schon heute als wichtiger Hub für den Energietransport. Auérdem gebe es einen starken Energie-Sektor und genügend Potenzial für erneuerbare Energie.

Übergang von grauem zu grünem Wasserstoff

Alexander Trattner vom HyCentA gab in seinem Input einen Überblick über den Stand der Wasserstoff-Technik und -Forschung. Außerdem ging er auf aktuelle Entwicklungen ein. Heute stamme der Großteil des österreichischen Wasserstoff-Bedarfs aus fossilen Quellen. Der Gesamtbedarf an Wasserstoff entspreche eta 1,4 % am Primärenergiesystem. 

Wasserstoff wird seit Jahrzehnten in der Industrie eingesetzt. Der Großteil des weltweiten Wasserstoffs werde dort verbraucht, wo er auch produziert wird. Nur ein kleiner Teil gelange in den Transport. H2 wird für viele unterschiedliche Industrieprozesse benötigt, daher gibt es eine große Bandbreite an Wasserstoff-Qualitäten. Im Zuge der Dekarbonisierung gehe es um die Umstellung von grauem auf grünen Wasserstoff. Es befinden sich aktuell zahlreiche neue industrielle Prozesse in Entwicklung, die den weltweiten Bedarf an grünem Wasserstoff steigern werden. Ein Beispiel dafür stellen Hochtemperaturprozesse oder die Direktreduktion von Eisenerz dar.

Heute wird der Hauptanteil von Wasserstoff in der Industrie in Raffinerien, der Ammoniakherstellung und für Methanol verbraucht. Ein kleinerer Teil wird in anderen Industriezweigen benötigt. Eine große Lücke besteht aktuell in den Gestehungskosten von grünem Wasserstoff und der Zahlungsbereitschaft der Industrie. Anders gesagt: Grüner Wasserstoff ist aktuell zu teuer im Gegensatz zu grauem.

In der Mobilität, also für Busse, Gabelstapler und Trucks, liegt die Willigness to pay heute bereits auf einem wirtschaftlich darstellbaren Niveau. Es gehe nun darum, in Zukunft grünen Wasserstoff zu einem Preis zu produzieren, zu dem heute grauer produziert wird. Sektorkopplung kann dabei helfen, schneller günstigere Gestehungskosten zu erreichen. Österreich wird Wasserstoff selbst produzieren und importieren müssen, so Trattner.

Raffinerieprozesse benötigen Wasserstoff zur Entschwefelung und um die Koksbildung zu verringern. 80 % des dafür benötigten Wasserstoffs kommt aus dem Prozess selbst, der Rest wird meist durch Dampfreformierung hergestellt. Das Projekt UpHy I & II beschäftigt sich mit der Umsetzung einer 10-MW-Elektrolyse in einer Raffinerie, um grauen Wasserstoff in der Raffinerie durch grünen zu ersetzen. Im Projekt erzeugter Wasserstoff wird auch an Wasserstoff-Tankstellen geliefert.

Ein weiterer Prozess, wo H2 gebraucht wird, ist die Ammoniakherstellung. Ammoniak wird wiederum benötigt, um daraus Düngemittel herzustellen - eine Vorasussetzung für die Nahrungsmittelproduktion. Bei 450 bar und 500 Grad Celsius wird der Ammoniak mittels Synthese von Stickstoff und Wasserstoff hergestellt. Der Wasserstoff wird heute überwiegend aus Erdgas gewonnen. Auch in der Methanolherstellung wird Wasserstoff benöigt. Dieser wird aus Kohlendioxid und Wasserstoff gewonnen. Wasserstoff wird wieder mittels Dampfreformierung gewonnen.

Die Reduktion von Metallen wird ein wichtiger Bereich für den Einsatz von Wasserstoff werden. Dieser eignet sich z.B., um Kupfer, Eisen oder Wolfram herzustellen. Bedeutsam ist diese Anwendung vor allem für die Stahlherstellung. Die WIVA P&G betreibt das Projekt Renewable Gasfield. Hier geht es um die Reduktion von Wolfram mittels grünem Wasserstoff.

In einigen Prozessen wird Wasserstoff als Ersatz-Brennstoff eigesetzt werden müssen, um die CO2-Emissionen zu reduzieren, z.B. in der Ziegel-, Glas- und metalltechnischen Industrie. Brenner für Wasserstoff gibt es inzwischen am Markt. Einiges an Forschung ist allerdings noch nötig, um von konventionellen Kraftstoffen auf Wasserstoff umzustellen.

Ein weiterer Zweig, der Wasserstoff einsetzt, ist die Halbleiter-Industrie. Hier wird eine besonders hohe Wasserstoff-Qualität benötigt. Bisher wurde der Wasserstoff dafür in flüssiger Form angeliefert. Im Projekt H2Carinthia wird nun auf grünen Wasserstoff umgestellt. Der hochreine Wasserstoff wird für die Halbleiterindustrie verwendet, der danach etwas verunreinigte Wasserstoff für die Mobilität.

Ein Kleinverbraucher von H2 ist die Lebensmittelchemie. Wasserstoff wird benötigt, um ungesättigte zu gesättigten Fettsäuren umzuwandeln. Auch zur Konservierung von Lebensmitteln kann Wasserstoff verwendet werden.

Für die Speicherung von Wasserstoff kommen heute vorwiegend Druckgasspeicher zum Einsatz. In Zukunft werde Wasserstoff sowohl in Österreich produziert als auch importiert werden müssen, um den Bedarf zu decken. Dafür werden mittelgroße Anlagen in der Größenordnung von ca. 100 M genutzt werden. Österreich verfüge über große Erdgasspeicher, welche auch für Wasserstoff verwendet werden können.

Erneuerbare Energie in der Stahlherstellung

In seinem Vortrag ging Thomas Bürgler von der K1-MET GmbH darauf ein, wie grüner Wasserstoff in der Herstellung von Stahl genutzt werden kann. Bürgler verdeutlichte, dass 2eit Beginn der Industrialisierung die globale Durchschnittstemperatur um mindestens 1,2 Grad Celsius gestiegen sei. Österreichs CO2-Budget werde innerhalb der nächsten 3 Jahre aufgebraucht sein. Daher sei die Dekarbonisierung des Energie- und Wirtschaftssystems nötig. 

Wasserstoff kann für die Direktreduktion von Eisenerz eingesetzt werden. Beim Direktreduktionsprozess mit grünem Wasserstof hängt die Co2-Bilanz nur noch von der CO2-Bilanz der elektrischen Energie ab. Ist der Strom erneuerbar hergestellt, fällt kein Kohlenstoffdioxid mehr an. Das Projekt H2Future zeigte zwischen 2017 und 2021, wie die PEM-Elektrolyse in ein industrielles Umfeld eingebettet werden kann. Ziel des Projekts war es zu demonstrieren, dass ein Wirkungsgrad von bis zu 83 % erreicht werden kann. Außerdem wurde gezeigt, dass so ein Projekt im Regelbetrieb eingesetzt werden kann.

Stahl kann aus Eisenerz oder aus Schrott hergestellt werden. Die Vorräte an Schrott sind weltweit begrenzt. Wasserstoff wird daher eine wichtige Rolle spielen, um Stahl aus Eisenerz herzustellen. Es müssen allerdings tlw. noch ganz neue Prozessrouten entwickelt werden. Für diese Prozesse werde der Import von Wasserstoff nach Österreich nötig werden, erläuterte Bürgler.

Wasserstoff in der Wolfram-Herstellung

Wolfram ist ein ganz besonderes Metall, eröffnete Norbert Wildbacher von Wolfram Steiermark seinen Input. Es hat den höchsten Schmelzpunkt aller Metalle, dieser liegt bei über 3.400 Grad Celsium. Wolfram weise zudem eine hohe Dichte auf, es ist in etwa so schwer wie Gold. Und der Härtegrad von Wolframcarbid lässt sich mit der von Diamant vergleichen. Diese Eigenschaften machen Wolfram besonders geeignet für Oberflächenveredelungen oder die Herstellung hochfester Werkzeuge. Auch im Straüen- und Tunnelbau findet Wolfram Anwendung.

Um Wolframoxid zu metallischem Oxid zu reduzieren, wird es unter H2-Einsatz bei Temperaturen von 600 bis 1000 Grad Celsius reduziert. Wolframoxid und Wasserstoff werden zu Wolfram und Wasser. Metallisches Wolfram verbindet sich dann mit Kohlenstoff zu Wolframcarbid. Bei diesem Prozess kommt Wasserstoff als Schutzatmosphäre zum Einsatz.

Wasserstoff wird direkt am Standort von Wolfram Steiermark mittels Dampfreformierung erzeugt. Sollte mehr benötigt werden als hergestellt werden kann, wird er mittels Wasserstoff-Trailern angeliefert, die Zwischenlagerung erfolgt in Tanks. Aktuell wird grauer Wassserstoff vewendet. Nun gehe es darum, diesen durch grünen Wasserstoff zu ersetzen, schloss Norbert Wildbacher seinen Vortrag.

Wasserstoff in der Zementproduktion

Florian Wesenauer von der Firma Rohrdorfer sprach über den künftigen Einsastz von Wasserstoff in seinem Unternehmen. Rohrdorfer Zement ist ein großer Baustoffhersteller, vorwiegend tätig im süddeutschen Raum und in Österreich. Das Unternehmen betreibt  zwei Zementwerke, eines am Stammsitz in Rosenheim und eines in Gmunden. Florian Wesenauer ist bei Rohrdorfer für Dekarbonisierung zuständig.

Die Zementproduktion ist für ca. 3 bis 4 % der CO2-Emissionen in Österreich verantwortlich. Rohrdorfer möchte seine Zementproduktion bis 2038 CO2-neutral gestalten. Dies soll durch die Einführung kohlenstoffdioxid-freier Klinker-Ersatzstoffe und neuer Zement-Rezepturen passieren. Zudem soll die Energiebereitstellung dekarbonisiert werden. Immer noch anfallende CO2- Emissionen müssten mittels CCU oder CCS in den Griff bekommen werden.

Derzeit werde der thermische Energiebedarf vorrangig aus Ersatz-Brennstoffen und fossilen Energieträgern gedeckt. Der Energiemix habe generell eine hohe CO2-Last. Um diese zu reduieren, könnte vermehrt Biomasse zum Einsatz kommen, wobei dies zunehmend umstritten ist. Die Hochtemperaturprozesse könnten elektrifiziert werden, hier gebe es allerdings noch große technische Hürden zu überwinden. Einen dritten Weg stelle der Einsatz von grünem Wasserstoff dar.

Grüner Wasserstoff solle bevorzugt über die bestehende Gas-Infrastruktur geliefert werden, also per Pipeline ins Werk. Derzeit sei noch ungewiss, wie das Angebot in  Zukunft aussehen wird, aktuell können kaum abgeschätzt werden, wann der grüne Wasserstoff in welcher Menge zu welchem Preis zur Verfügung stehen werde. Dies verunmögliche die Planungssicherheit, so Wesenauer. 

Grüner Wasserstofff bei der OMV

Günther Wagner referierte darüber, welche Rolle grüner Wasserstoff innerhalb der OMV einnehmen wird. Die OMV-Strategie sieht vor, dass bis 2050 ein CO2-Ausstoß von Netto-Null erreicht wird. Dazu möchte die OMV ihr Produktportfolio diversifizieren. Es sollen zudem synthetische und Bio-Treibstoffe erzeugt werden. Die Kreislaufwirtschaft soll gestärkt werden. Außerdem muss die Produktion von fossilen Treibstoffen heruntergefahren werden. 

Wasserstoff stelle einen wichtigen Hebel dar, um den CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Aktuell wird in der OMV-Raffinerie eine Elektrolyseanalge gebaut, nämlich UpHy. Diese liefert 10 MW, was auf Dauer zu wenig sein werde, so Wagner. Es brauche in Zukunft daher daher eine größere Anlage und zudem Importe von grünem Wasserstoff nach Österreich.

Wasserstoff wird für verschiedenste Prozesse in Raffinerien benötigt. Mittels Carbon Capture kann Kohlenstoffdioxid mit Wasserstoff zu Methanol verarbeitet werden. Daraus kann eine Basis-Chemikalie für die chemische Industrie hergestellt werden.

Das Projekt UpHy ist eine 10-MW-Elektrolyseanlage. Diese wird momentan aufgebaut, im Oktober 2023 soll der Betrieb aufgenommen. Pro Jahr können damit 1.500 Tonnen Wasserstoff erzeugt werden. Dieser kann als Prozessgas und zur weiteren Verarbeitung verwendet werden. Dieser Wasserstoff könnte auch für die Mobilität angeboten werden. Die Elektrolyse wird mittels Windkraft und Photovoltaik betrieben.

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