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0417

STANDORT

E

s war einer der großen Skan-

dale rund um Medizinpro-

dukte – im Jahr 2010 wurde

bekannt, dass der französische Her-

steller PIP für seine Brustimplantate

billiges Industrie-Silikon verwendet

hatte. Von den reißanfälligen und

teilweise undichten Implantaten wa-

ren allein in Deutschland tausende

Frauen betroffen, der Fall beschäf-

tigte die Gerichte, auch weil dem

TÜV nichts aufgefallen war. Die EU

reagierte auf den Skandal, eine Neu-

strukturierung der Prüfstellen und

neue Regularien für z.B. Medizin-

produkte und In-Vitro-Diagnostika

sollen solche Skandale in Zukunft

verhindern. „Doch die schärferen

Richtlinien führen zu einem Pro-

blem: Wer trägt die Kosten?“, gibt

Hans Maria Heyn zu bedenken.

Der Leiter der Unternehmensent-

wicklung und Regulatory Affairs

bei TRIGA-S, einem Spezialisten für

die klinische Prüfung von In-vitro-

Diagnostik, weiß: „Mussten bislang

20 Prozent aller Medizinprodukte

und In-Vitro-Diagnostika von einer

benannten Stelle zertifiziert wer-

den, sind es jetzt 80 Prozent.“ Zer-

tifizierung bedeutet unter anderem

den (finanziellen) Aufwand für eine

klinische Studie inklusive Rekrutie-

rung der Patienten – aber nicht nur

für neue Produkte. Bis spätestens

2025 benötigen auch bereits am

Markt zugelassene Produkte eine

Zertifizierung.

„Es braucht also deutlich mehr kli-

nische Daten“, sagt Heyn. Daten, de-

ren Beschaffung für den klassischen

Mittelständler nicht nur organisato-

risch, sondern auch finanziell eine

große, bei Produkten mit geringen

Stückzahlen eventuell sogar eine

unüberbrückbare Hürde darstellen

könnte.

TRIGA-S, seit Kurzem Mitglied im

Cluster Life Sciences Tirol, sieht sich

für solche Unternehmen als Partner,

die Organisation und Betreuung des

gesamten Zulassungszyklus neuer

Produkte ist das Kerngeschäft des

50-Mann-Unternehmens aus dem

oberbayerischen Habach. „Als Mittel-

ständler wissen wir, wie Mittelständler

ticken“, betont Heyn, vor knapp 20

Jahren gegründet, weiß man ebenso

um die Anforderungen junger Un-

ternehmen. Heyn ist auch überzeugt,

dass die kommenden Herausforde-

rungen von mittelständischen Un-

ternehmen nur gemeinsam bewältigt

werden können. Bei „gemeinsam“

denkt er aber auch an die öffentliche

Hand. „Hier steht eine Industrie am

Scheideweg“, sagt er, in Deutschland

werden etwa erstmals Vorbereitung

und Durchführung klinischer Stu-

dien mit öffentlichen Mitteln geför-

dert. Ein Schritt in die richtige Rich-

tung, meint Heyn, ein zweiter Schritt

wäre die Unterstützung von Re-Zer-

tifizierungen. Mehr Informationen

gibt‘s auf

www.triga-s.de

]

Schärfere Richtlinien führen zu einem Problem:Wer trägt die Kosten?

Eine Industrie am Scheideweg

Neue EU-Richtlinien erhöhen die Anforderungen für Medizinprodukte und

In-Vitro-Diagnostika – sowohl für Neuzulassungen als auch für schon Etabliertes.

Neues Stiftungsinstitut für das „Phytovalley Tirol“

An der Universität Innsbruck entsteht ein eigenes Forschungsinstitut für die Entwicklung neuer pflanzlicher

Wirkstoffe. Gestiftet wird die Einrichtung von der Stiftung desVorstandsvorsitzenden von Bionorica, Michael

Popp. Bionorica ist einer der weltweit führenden Hersteller pflanzlicher Arzneimittel. Gleichzeitig stellt das Land

Tirol ab 2018 insgesamt 1,5 Millionen Euro für eine fünfjährige Stiftungsprofessur zur Verfügung. Insgesamt wird

das Michael-Popp-Forschungsinstitut damit für die kommenden fünf Jahre mit über 5 Millionen Euro finanziert.

SCIENCE

Mehr Top-Betriebe aus dem Cluster

Life SciencesTirol finden Sie auf

www.standort-tirol.at/mitglieder

Mehr Info

[

]

FAKTEN. NEWS.

[ Thema: Life Sciences ]

Zwei Wissenschaftler der Medizi-

nischen Universität Innsbruck wurden von

der „Deutschsprachigen Mykologischen

Gesellschaft“ ausgezeichnet. Michaela

Lackner forscht nahe an der klinischen

Anwendung und war an vielen Guideline-

Boards zur Verbesserung der klinischen

Diagnostik beteiligt. Fabio Gsaller beschäftigt

sich intensiv mit den molekularen Grundla-

gen klinisch-relevanter Resistenzmechanis-

men im Schimmelpilz

Aspergillus fumigatus.

Stefan Schneeberger,

Leiter der Transplantations-

chirurgie an der Medizinuni

Innsbruck, wurde zum

Präsidenten der Europä-

ischen Gesellschaft für

Organtransplantationen gewählt. Der

44-Jährige ist der jüngste Präsident in der

Geschichte der Gesellschaft, seineWahl ist

auch eine Auszeichnung für das Innsbrucker

Transplantationszentrum.

Im Rahmen des Kongresses der

European Society of Cardiology wurde eine

Innsbrucker Arbeit zum Pathomechanismus

der Aortenklappenverkalkung ausgezeich-

net. DemTeam des herzchirurgischen

Forschungslabors gelang es, einen Rezeptor

des angeborenen Immunsystems als

relevanten Mediator der Entstehung der

Verkalkung zu entschlüsseln.

Foto:MUI/F.Lechner

Thema: [ LIFE SCIENCES TIROL ]

[ konkret GEFRAGT ]

Genauer Stimmungsbarometer

M

it den Viren ist es so eine

Sache – bekannt sind jene,

die uns krank machen, der

Rest der bislang rund 3000 identifi-

zierten Virenarten scheint von ge-

ringem Interesse. Nicht so für Guido

Wollmann, der Mediziner hat für

„sein“ Virus sogar ein eigenes Chris­

tian-Doppler-Labor.

Das Vesikuläre Stomatitis Virus

(VSV, siehe Bild rechts) infiziert im

Normalfall Rinder und Huftiere. Für

den Menschen ist VSV in der Regel

harmlos, in hohen Dosierungen

kann es allerdings zu einer Gehirn-

entzündung führen. Eine Gefahr,

die in Innsbruck durch Dorothee

von Laer, Leiterin der Sektion für

Virologie an der Medizinischen Uni-

versität, mit dem – gentechnischen –

Austausch des Hüllproteins gebannt

wurde. Als VSV-GP soll es nun Jagd

auf Tumorzellen im menschlichen

Körper machen.

„VSV-GP ist ein sehr sensitives

Virus“, weiß Wollmann. Das Virus

versucht, sich in jeder Zelle einzu-

nisten, wird aber von gesunden Zel-

len erkannt und blockiert – ohne

das Immunsystem zu aktivieren. „Bei

Tumorzellen ist dieser antivirale Ef-

fekt, die sogenannte Interferonre-

aktion, ausgeschaltet, da er auch das

Tumorwachstum unterdrücken wür-

de“, berichtet Wollmann. In Tumor-

zellen kann sich das onkolytische

VSV-GP also einnisten,

vermehren

und die Wirts-Tumorzelle zerstören.

Zusätzlich wird das Virus dort auch

vom menschlichen Immunsystem –

im Gegensatz zur Tumorzelle – als

Fremdkörper erkannt, attackiert

und zerstört, sozusagen ein dop-

pelter Angriff. Dabei lernt das Im-

munsystem, solche körpereigenen

Tumorzellen als „böses Angriffsziel“

zu identifizieren. „Die Virustherapie

ist eigentlich nichts Neues“, räumt

Wollmann ein, „als erstes wurde 1991

ein modifiziertes Herpesvirus gegen

Gehirntumore eingesetzt, auch mit

im Labor veränderten Masern- und

Polio-Viren wird gearbeitet.“

Mit VSV-GP geht man an der Sek-

tion für Virologie nun zwei Wege.

Die hoch spezifische Aktivität ge-

gen Krebszellen konnte Dorothee

von Laer im Labor und Mausmo-

dell schon erfolgreich nachweisen,

der kostenintensive Schritt in die

klinische Testung wird derzeit in

ihrem akademischen Spin-off Vira-

Therapeutics gemeinsam mit dem

Industriepartner Boehringer Ingel-

heim vorbereitet. Guido Wollmann

will in dem neu eingerichteten

Christian Doppler Labor für virale

Immuntherapie von Krebs einer-

seits VSV-GP noch effizienter ma-

chen, andererseits die Wirksamkeit

von Tumorimpfstoffen und neuen

Krebsimmuntherapien durch die

Kombination mit der Virustherapie

vergrößern. Auf beiden Schienen

sei das 15-köpfige Team zufrieden-

stellend unterwegs, sagt Wollmann,

Vorstudien für die „next generation“

von VSV-GP habe man erfolgreich

abgeschlossen, ebenso die ersten

Kombinationsstudien mit anderen

Tumorimpfstoffen. ]

GuidoWollmann: „Gut designteViren unterscheiden perfekt zwischen Gut und Böse.“

CD-Labor :

Maßgeschneiderte Tumorkiller

M

it seinem Unternehmen ConCep

+

hat Beatus Hofrichter den LIME-

Dex-Index entwickelt, ein Stimmungsba-

rometer für die Medizintechnik-Branche,

das den KMU der Branche rechtzeitig

handlungsrelevante Information zum ak-

tuellen Marktgeschehen liefert. Einmal im

Quartal werden 20 bis 26 Kennzahlen

von etwas mehr als 100 internationalen

Unternehmen zu KMU-relevanten The-

men erhoben. Info:

www.conceplus.ch

STANDORT:

Warum setzen Sie mit

dem LIMEDex-Index auf KMUs?

BEATUS HOFRICHTER:

Große Firmen

haben die Ressourcen und Zugang zu

solchen Berichten und Insights, KMUs

verwenden hierfür kaum Geld oder ha-

ben nicht das Netzwerk, um so etwas

selber zu generieren. Da der Wettbe-

werb heute sehr eng ist und der Preis-

druck sehr hoch, muss man sehr schnell

auf die neuesten Schwankungen in der

Konjunktur reagieren können.

STANDORT:

Wer wird abgefragt?

HOFRICHTER:

Hersteller, Zulieferer

und Dienstleister, die an der Ingenieur-

dienstleistung teilhaben, also Auftrags-

entwickler.

STANDORT:

Wie profitieren teilneh-

mende Unternehmen vom Bericht?

HOFRICHTER:

Wir spiegeln die ak-

tuellen Marktnuancen der Entwicklung

zeitnah wider, d.h. von der Umfrage bis

zum Report dauert es nur fünfWochen.

Zweitens nutzen wir die qualitative In-

side-Beurteilung von Managern. Drittens

beobachten wir sehr genau konjunk-

turrelevante Themen wie Währungs-

schwankungen oder das Nachlassen von

Wachstumserwartungen in Märkten

und können diese sehr genau bewerten.

Der Manager kann diese Daten nutzen,

um seine Geschäftsplanung im Manage-

mentteam zeitnah zu optimieren.

STANDORT:

Momentan beschäftigen

neue Regulatorien der EU die Branche.

Was können Sie dazu sagen?

HOFRICHTER:

Unser aktueller Ba-

rometer zeigt, dass in Europa 31.000

Mitarbeiter für regulatorisches Umfeld

und Qualitätsmanagement fehlen. Die

Einschätzung ist, dass sich dies und zu-

sätzliche operative Kostenaspekte wie

z.B. klinische Studien in den kommenden

drei Jahren mit knapp 18 Milliarden US-

Dollar auf die Branche negativ auswirken.

Für Österreich bedeutet das knapp 390

Millionen Dollar zusätzliche Kosten, die

abgefedert werden müssen, um kompe-

titiv zu bleiben. Es ist anzunehmen, dass

es Budgetverlagerungen v.a. im F&E-

Budget der Firmen geben wird, was zu

einem Innovationsgap in den kommen-

den Jahren führen wird.

Beatus Hofrichter: Information zeitnah.

Foto:Andreas Friedle

Foto:AdobeStock/Anna Jurkovska

Foto:Andreas Friedle

Christian-Doppler-Labors

wer­

den an Universitäten oder außer­

universitären Forschungsinstitutio­

nen für maximal sieben Jahre

eingerichtet. Die Kosten für das

gesamte Vorhaben teilen sich zu

je 50 Prozent das Wissenschafts-,

Forschungs- undWirtschaftsminis­

terium und die kooperierenden

Unternehmen. Dem im März

2017 gestarteten „CD-Labor für

virale Immuntherapie von Krebs“

steht in den kommenden sieben

Jahren ein Budget von rund 4,7

Millionen Euro zur Verfügung, In-

dustriepartner sind die ViraThera-

peutics GmbH und das deutsche

Pharmaunternehmen Boehringer

Ingelheim.

Foto:GuidoWollmann