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STANDORT
E
s war einer der großen Skan-
dale rund um Medizinpro-
dukte – im Jahr 2010 wurde
bekannt, dass der französische Her-
steller PIP für seine Brustimplantate
billiges Industrie-Silikon verwendet
hatte. Von den reißanfälligen und
teilweise undichten Implantaten wa-
ren allein in Deutschland tausende
Frauen betroffen, der Fall beschäf-
tigte die Gerichte, auch weil dem
TÜV nichts aufgefallen war. Die EU
reagierte auf den Skandal, eine Neu-
strukturierung der Prüfstellen und
neue Regularien für z.B. Medizin-
produkte und In-Vitro-Diagnostika
sollen solche Skandale in Zukunft
verhindern. „Doch die schärferen
Richtlinien führen zu einem Pro-
blem: Wer trägt die Kosten?“, gibt
Hans Maria Heyn zu bedenken.
Der Leiter der Unternehmensent-
wicklung und Regulatory Affairs
bei TRIGA-S, einem Spezialisten für
die klinische Prüfung von In-vitro-
Diagnostik, weiß: „Mussten bislang
20 Prozent aller Medizinprodukte
und In-Vitro-Diagnostika von einer
benannten Stelle zertifiziert wer-
den, sind es jetzt 80 Prozent.“ Zer-
tifizierung bedeutet unter anderem
den (finanziellen) Aufwand für eine
klinische Studie inklusive Rekrutie-
rung der Patienten – aber nicht nur
für neue Produkte. Bis spätestens
2025 benötigen auch bereits am
Markt zugelassene Produkte eine
Zertifizierung.
„Es braucht also deutlich mehr kli-
nische Daten“, sagt Heyn. Daten, de-
ren Beschaffung für den klassischen
Mittelständler nicht nur organisato-
risch, sondern auch finanziell eine
große, bei Produkten mit geringen
Stückzahlen eventuell sogar eine
unüberbrückbare Hürde darstellen
könnte.
TRIGA-S, seit Kurzem Mitglied im
Cluster Life Sciences Tirol, sieht sich
für solche Unternehmen als Partner,
die Organisation und Betreuung des
gesamten Zulassungszyklus neuer
Produkte ist das Kerngeschäft des
50-Mann-Unternehmens aus dem
oberbayerischen Habach. „Als Mittel-
ständler wissen wir, wie Mittelständler
ticken“, betont Heyn, vor knapp 20
Jahren gegründet, weiß man ebenso
um die Anforderungen junger Un-
ternehmen. Heyn ist auch überzeugt,
dass die kommenden Herausforde-
rungen von mittelständischen Un-
ternehmen nur gemeinsam bewältigt
werden können. Bei „gemeinsam“
denkt er aber auch an die öffentliche
Hand. „Hier steht eine Industrie am
Scheideweg“, sagt er, in Deutschland
werden etwa erstmals Vorbereitung
und Durchführung klinischer Stu-
dien mit öffentlichen Mitteln geför-
dert. Ein Schritt in die richtige Rich-
tung, meint Heyn, ein zweiter Schritt
wäre die Unterstützung von Re-Zer-
tifizierungen. Mehr Informationen
gibt‘s auf
www.triga-s.de]
Schärfere Richtlinien führen zu einem Problem:Wer trägt die Kosten?
Eine Industrie am Scheideweg
Neue EU-Richtlinien erhöhen die Anforderungen für Medizinprodukte und
In-Vitro-Diagnostika – sowohl für Neuzulassungen als auch für schon Etabliertes.
Neues Stiftungsinstitut für das „Phytovalley Tirol“
An der Universität Innsbruck entsteht ein eigenes Forschungsinstitut für die Entwicklung neuer pflanzlicher
Wirkstoffe. Gestiftet wird die Einrichtung von der Stiftung desVorstandsvorsitzenden von Bionorica, Michael
Popp. Bionorica ist einer der weltweit führenden Hersteller pflanzlicher Arzneimittel. Gleichzeitig stellt das Land
Tirol ab 2018 insgesamt 1,5 Millionen Euro für eine fünfjährige Stiftungsprofessur zur Verfügung. Insgesamt wird
das Michael-Popp-Forschungsinstitut damit für die kommenden fünf Jahre mit über 5 Millionen Euro finanziert.
SCIENCE
Mehr Top-Betriebe aus dem Cluster
Life SciencesTirol finden Sie auf
www.standort-tirol.at/mitgliederMehr Info
[
]
FAKTEN. NEWS.
[ Thema: Life Sciences ]
Zwei Wissenschaftler der Medizi-
nischen Universität Innsbruck wurden von
der „Deutschsprachigen Mykologischen
Gesellschaft“ ausgezeichnet. Michaela
Lackner forscht nahe an der klinischen
Anwendung und war an vielen Guideline-
Boards zur Verbesserung der klinischen
Diagnostik beteiligt. Fabio Gsaller beschäftigt
sich intensiv mit den molekularen Grundla-
gen klinisch-relevanter Resistenzmechanis-
men im Schimmelpilz
Aspergillus fumigatus.
Stefan Schneeberger,
Leiter der Transplantations-
chirurgie an der Medizinuni
Innsbruck, wurde zum
Präsidenten der Europä-
ischen Gesellschaft für
Organtransplantationen gewählt. Der
44-Jährige ist der jüngste Präsident in der
Geschichte der Gesellschaft, seineWahl ist
auch eine Auszeichnung für das Innsbrucker
Transplantationszentrum.
Im Rahmen des Kongresses der
European Society of Cardiology wurde eine
Innsbrucker Arbeit zum Pathomechanismus
der Aortenklappenverkalkung ausgezeich-
net. DemTeam des herzchirurgischen
Forschungslabors gelang es, einen Rezeptor
des angeborenen Immunsystems als
relevanten Mediator der Entstehung der
Verkalkung zu entschlüsseln.
Foto:MUI/F.Lechner
Thema: [ LIFE SCIENCES TIROL ]
[ konkret GEFRAGT ]
Genauer Stimmungsbarometer
M
it den Viren ist es so eine
Sache – bekannt sind jene,
die uns krank machen, der
Rest der bislang rund 3000 identifi-
zierten Virenarten scheint von ge-
ringem Interesse. Nicht so für Guido
Wollmann, der Mediziner hat für
„sein“ Virus sogar ein eigenes Chris
tian-Doppler-Labor.
Das Vesikuläre Stomatitis Virus
(VSV, siehe Bild rechts) infiziert im
Normalfall Rinder und Huftiere. Für
den Menschen ist VSV in der Regel
harmlos, in hohen Dosierungen
kann es allerdings zu einer Gehirn-
entzündung führen. Eine Gefahr,
die in Innsbruck durch Dorothee
von Laer, Leiterin der Sektion für
Virologie an der Medizinischen Uni-
versität, mit dem – gentechnischen –
Austausch des Hüllproteins gebannt
wurde. Als VSV-GP soll es nun Jagd
auf Tumorzellen im menschlichen
Körper machen.
„VSV-GP ist ein sehr sensitives
Virus“, weiß Wollmann. Das Virus
versucht, sich in jeder Zelle einzu-
nisten, wird aber von gesunden Zel-
len erkannt und blockiert – ohne
das Immunsystem zu aktivieren. „Bei
Tumorzellen ist dieser antivirale Ef-
fekt, die sogenannte Interferonre-
aktion, ausgeschaltet, da er auch das
Tumorwachstum unterdrücken wür-
de“, berichtet Wollmann. In Tumor-
zellen kann sich das onkolytische
VSV-GP also einnisten,
vermehren
und die Wirts-Tumorzelle zerstören.
Zusätzlich wird das Virus dort auch
vom menschlichen Immunsystem –
im Gegensatz zur Tumorzelle – als
Fremdkörper erkannt, attackiert
und zerstört, sozusagen ein dop-
pelter Angriff. Dabei lernt das Im-
munsystem, solche körpereigenen
Tumorzellen als „böses Angriffsziel“
zu identifizieren. „Die Virustherapie
ist eigentlich nichts Neues“, räumt
Wollmann ein, „als erstes wurde 1991
ein modifiziertes Herpesvirus gegen
Gehirntumore eingesetzt, auch mit
im Labor veränderten Masern- und
Polio-Viren wird gearbeitet.“
Mit VSV-GP geht man an der Sek-
tion für Virologie nun zwei Wege.
Die hoch spezifische Aktivität ge-
gen Krebszellen konnte Dorothee
von Laer im Labor und Mausmo-
dell schon erfolgreich nachweisen,
der kostenintensive Schritt in die
klinische Testung wird derzeit in
ihrem akademischen Spin-off Vira-
Therapeutics gemeinsam mit dem
Industriepartner Boehringer Ingel-
heim vorbereitet. Guido Wollmann
will in dem neu eingerichteten
Christian Doppler Labor für virale
Immuntherapie von Krebs einer-
seits VSV-GP noch effizienter ma-
chen, andererseits die Wirksamkeit
von Tumorimpfstoffen und neuen
Krebsimmuntherapien durch die
Kombination mit der Virustherapie
vergrößern. Auf beiden Schienen
sei das 15-köpfige Team zufrieden-
stellend unterwegs, sagt Wollmann,
Vorstudien für die „next generation“
von VSV-GP habe man erfolgreich
abgeschlossen, ebenso die ersten
Kombinationsstudien mit anderen
Tumorimpfstoffen. ]
GuidoWollmann: „Gut designteViren unterscheiden perfekt zwischen Gut und Böse.“
CD-Labor :
Maßgeschneiderte Tumorkiller
M
it seinem Unternehmen ConCep
+
hat Beatus Hofrichter den LIME-
Dex-Index entwickelt, ein Stimmungsba-
rometer für die Medizintechnik-Branche,
das den KMU der Branche rechtzeitig
handlungsrelevante Information zum ak-
tuellen Marktgeschehen liefert. Einmal im
Quartal werden 20 bis 26 Kennzahlen
von etwas mehr als 100 internationalen
Unternehmen zu KMU-relevanten The-
men erhoben. Info:
www.conceplus.chSTANDORT:
Warum setzen Sie mit
dem LIMEDex-Index auf KMUs?
BEATUS HOFRICHTER:
Große Firmen
haben die Ressourcen und Zugang zu
solchen Berichten und Insights, KMUs
verwenden hierfür kaum Geld oder ha-
ben nicht das Netzwerk, um so etwas
selber zu generieren. Da der Wettbe-
werb heute sehr eng ist und der Preis-
druck sehr hoch, muss man sehr schnell
auf die neuesten Schwankungen in der
Konjunktur reagieren können.
STANDORT:
Wer wird abgefragt?
HOFRICHTER:
Hersteller, Zulieferer
und Dienstleister, die an der Ingenieur-
dienstleistung teilhaben, also Auftrags-
entwickler.
STANDORT:
Wie profitieren teilneh-
mende Unternehmen vom Bericht?
HOFRICHTER:
Wir spiegeln die ak-
tuellen Marktnuancen der Entwicklung
zeitnah wider, d.h. von der Umfrage bis
zum Report dauert es nur fünfWochen.
Zweitens nutzen wir die qualitative In-
side-Beurteilung von Managern. Drittens
beobachten wir sehr genau konjunk-
turrelevante Themen wie Währungs-
schwankungen oder das Nachlassen von
Wachstumserwartungen in Märkten
und können diese sehr genau bewerten.
Der Manager kann diese Daten nutzen,
um seine Geschäftsplanung im Manage-
mentteam zeitnah zu optimieren.
STANDORT:
Momentan beschäftigen
neue Regulatorien der EU die Branche.
Was können Sie dazu sagen?
HOFRICHTER:
Unser aktueller Ba-
rometer zeigt, dass in Europa 31.000
Mitarbeiter für regulatorisches Umfeld
und Qualitätsmanagement fehlen. Die
Einschätzung ist, dass sich dies und zu-
sätzliche operative Kostenaspekte wie
z.B. klinische Studien in den kommenden
drei Jahren mit knapp 18 Milliarden US-
Dollar auf die Branche negativ auswirken.
Für Österreich bedeutet das knapp 390
Millionen Dollar zusätzliche Kosten, die
abgefedert werden müssen, um kompe-
titiv zu bleiben. Es ist anzunehmen, dass
es Budgetverlagerungen v.a. im F&E-
Budget der Firmen geben wird, was zu
einem Innovationsgap in den kommen-
den Jahren führen wird.
Beatus Hofrichter: Information zeitnah.
Foto:Andreas Friedle
Foto:AdobeStock/Anna Jurkovska
Foto:Andreas Friedle
Christian-Doppler-Labors
wer
den an Universitäten oder außer
universitären Forschungsinstitutio
nen für maximal sieben Jahre
eingerichtet. Die Kosten für das
gesamte Vorhaben teilen sich zu
je 50 Prozent das Wissenschafts-,
Forschungs- undWirtschaftsminis
terium und die kooperierenden
Unternehmen. Dem im März
2017 gestarteten „CD-Labor für
virale Immuntherapie von Krebs“
steht in den kommenden sieben
Jahren ein Budget von rund 4,7
Millionen Euro zur Verfügung, In-
dustriepartner sind die ViraThera-
peutics GmbH und das deutsche
Pharmaunternehmen Boehringer
Ingelheim.
Foto:GuidoWollmann