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STANDORT
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[ konkret GESEHEN]
Genaue Blicke unter Wasser
D
ie Firma, gibt Frank Steinbacher
lachend zu, war irgendwie eine
Verlegenheitslösung. Ein mit Riegl
Laser Measurement Systems betrie-
benes FFG-Projekt zur Entwicklung
einer neuartigen Gewässerver
messung war 2010 am Auslaufen, für
ein angedachtes EU-Projekt brauch-
te es ein Unternehmen, das die
entwickelteTechnologie kommerziell
anwendet – die Geburtsstunde von
Airborne Hydro Mapping (AHM) als
Spin-Off der Uni Innsbruck.
Aus dem EU-Projekt wurde nichts,
aus AHM mit CAST und einer
aws-PreSeed-Förderung als „Door-
Opener“, wie Steinbacher sagt, ein
Unternehmen mit heute 24 Mitar-
beitern und weltweitem Alleinstel-
lungsmerkmal. Ausgangspunkt für
AHM war Steinbachers Dissertation
bei Markus Aufleger, in der er reale
Gewässer am Computer virtuell
nachzeichnete, um ihr Verhalten z.B.
bei Hochwasser zu simulieren. Für die
Berechnung brauchte es Messdaten
von Unterwasserstrukturen, die mit
Messlanzen oder Echolot arbeitsauf-
wendig erhoben werden. „Warum
nicht von oben mit einem Laser
messen?“, fragte sich Steinbacher. Und
zwar mit einem grünen Laser, der die
Wasseroberfläche durchdringt und
die Unterwassergeometrie inzwi-
schen bis zu einer Tiefe von 30 Meter
auf zehn Zentimeter genau vermisst.
Steinbacher: „Mit dieser Genauigkeit
kann das sonst niemand.“ Zuerst
wurde von einer Hebebühne aus
gemessen, dann vom Helikopter,
schließlich vom Flugzeug aus. Markt-
übliche Software zur schnellen
Visualisierung und Prozessierung der
enormen Datenmengen gab es nicht,
folglich wurde eine eigene entwickelt.
Für Aufträge fliegt das AHM-Flugzeug
mit Spezial-Laserplattform nun in
ganz Europa, vermisst und visualisiert
flache Küstengewässer, optimale
Seekabelwege, Flüsse für Geschiebe-
management und Hochwasserschutz.
Die AHM-Visualsierungskompetenz
riesiger Datensätze hat sich übrigens
auch überWasser herumgesprochen:
Für das Potsdamer Max-Planck-Insti-
tut visualisierte die AHM-Software
die kürzlich bewiesenen Einsteinschen
Gravitationswellen. Info:
ahm.co.atSTANDORT:
Warum gründeten Sie
E-SEC schon während des Studiums?
KATHRIN PRANTNER:
Die Idee ist
während der sehr wirtschaftlich ausge-
richteten Bachelorarbeit der Mitgrün-
der Christian Molterer und Christian
Brandl entstanden. Dann wollten wir
schauen, ob sie auch wirtschaftlich
umsetzbar ist – beim Businessplan-
Wettbewerb adventure X waren wir
gleich unter den Top 10 und haben
auch den CAST IT Business Award
gewonnen.
STANDORT:
Ausgangsidee war die
virtuelle IT-Security-Schulung?
PRANTNER:
Ja. Damals wussten
viele Mitarbeiter noch nicht, auf was
zu achten ist. Es kamen dann erste
Sicherheitsrichtlinien in Unterneh-
men – schriftlich, für Laien nicht zu
verstehen. Daher der Gedanke, dies
visuell mit 3D-Welten aufzuarbeiten,
damit sich die Mitarbeiter leichter
tun. Das war die entscheidende Idee,
dazu kommt die Konfigurierbarkeit
– der Kunde kann jeden Text, jedes
Bild anpassen, kann sich 3D-Schau-
plätze im virtuellen Büro aussuchen.
STANDORT:
Wie war der Unterneh-
mensstart?
PRANTNER:
Ein Startkapital war
durch die Preise da, neben dem Stu-
dium haben wir auch gearbeitet. Ein
kleines feines Büro haben wir aber
relativ schnell angemietet, um Pro-
fessionalität zu zeigen. Dann sind wir
auf Kundenfang gegangen, richtiges
Klinkenputzen. Über das Netzwerk,
das wir während der Wettbewerbe ge-
schaffen haben, versuchten wir Kon-
takte zu knüpfen – und fanden mit
dem Raiffeisen Rechenzentrum und
der TIWAG zwei Unternehmen, die
uns die Chance gaben.
STANDORT:
2009 konnte E-SEC ei-
nen Investor gewinnen.
PRANTNER:
Wir wussten, dass wir
Gas geben müssen, um groß zu wer-
den – und dafür Geld brauchen.
Über unser Netzwerk haben wir eine
Investorengruppe aus Deutschland
gefunden und uns gesagt: Das pro-
bieren wir. Seitdem ist die Gruppe als
Firmenpartner dabei, arbeitet aber
auch aktiv mit, gibt Feedback und
vermittelt Kontakte.
STANDORT:
Das Zielpublikum des
Zehn-Mann-Betriebs E-SEC sind Fir-
menmit mehr als 1000Mitarbeitern…
PRANTNER:
…es war schnell klar,
dass wir in Tirol zu wenig Potenzial
haben, daher war unser Vertrieb von
Anfang an auf den ganzen deutsch-
sprachigen Raum ausgerichtet. Mitt-
lerweile gibt es aber auch eine neue
Produktlinie, eine Cloudanwendung,
die auch kleine Kunden ohne großen
Aufwand zubuchen können.
STANDORT:
Mit diesem Zielpubli-
kum – war eine Abwanderung nach
Wien oder München nie ein Thema?
PRANTNER:
Der Standort in Ti-
rol ist für uns sehr wichtig. Wir sind
sportlich, lieben die Berge, brauchen
Erholung und Energie – wir sind ti-
rolverliebt. Einen Wechsel haben wir
nie ernsthaft überlegt. Im Gegenteil:
Unsere Partner kommen sehr gerne
zu Schulungen zu uns. ]
Belastungsmessung in der Röhre
2006 hatte das Start-up Ergospect einen Prototypen, heute sind ihre High-Tech-
Belastungsergometer für Magnetresonanztomografie weltweit im Einsatz.
E
s war die Frage zweier Ärz-
te: Besteht die Möglichkeit,
Stoffwechselerkrankungen
in der Wadenmuskulatur mit einem
Magnetresonanz-kompatiblen Belas-
tungsgerät zu diagnostizieren? Der
Frage folgten einige Überlegungen
und Entwicklungsschritte, bis der
Radiodiagnostiker Michael Schocke
und der Chirurg Andreas Greiner ih-
ren Prototypen fertiggestellt hatten.
Und mit diesem entstand die nächs-
te Idee, der Schritt in die Selbststän-
digkeit. 2005 wurden sie als Grün-
derteam ins Gründerzentrum CAST
aufgenommen, 2006 folgte der erste
Platz beim Businessplanwettbewerb
adventure X, 2008 die Firmengrün-
dung von Ergospect. Da war auch
schon Thomas Hugl mit im Boot,
die zwei Ärzte der Medizinuni Inns-
bruck hatten den Betriebswirt als Ge-
schäftsführer engagiert.
„Ich habe 2007 bei Ergospect an-
gefangen – in einem leeren Büro,
allein mit einem nicht verkaufbaren
Prototypen“, blickt Hugl zurück. Der
Weg bis 2010 wurde mit Eigenkapi-
tal und Förderungen – etwa aus dem
PreSeed- und Seed-Programm der
aws – finanziert. In der Zwischenzeit
hatte das Start-up schon ein ganzes
Muskelpaket (Geräte für Unter-
schenkel, Oberschenkel, Gesäß) im
Programm und ging mit dem Dia
gnostic Pedal Cardio das nächste
Projekt an: ein Ergometer, mit dem
koronare Herzerkrankungen durch
simulierte Belastungssituationen im
MRT früh diagnostiziert werden kön-
nen. Dafür konnte Ergospect (ge-
meinsam mit der Innsbrucker Infpro
IT Solutions und den Unikliniken
für Radiologie bzw. Kardiologie) von
2011 bis 2014 auf eine 600.000-Eu-
ro-Förderung aus der K-Regio-Initia-
tive des Landes Tirol zurückgreifen.
Ein Jahr brauchte man für den Pro-
totyp, Jahr zwei und drei waren für
eine Studie anberaumt, seit 2014 ist
man serienreif. Die ersten Exem
plare sind schon ausgeliefert, stehen
in Japan, Europa und den USA, das
Feedback, sagt Hugl, ist sehr gut.
Am Laufen sind schon die nächs-
ten Projekte, zwei zusätzliche Anwen-
dungsgebiete im MRT (Kniegelenk,
neurologische Untersuchungen des
Rückenmarks) sowie ein Feature, das
den Diagnostic Pedal Cardio über
die Pulsfrequenz steuert. Kooperiert
wird für Letzteres mit der Tiroler
Privatuni UMIT, ein Plus des Stand-
orts, das auch Hugl schätzt: „Die
Überschaubarkeit ist ein Vorteil. Man
kennt sich im Cluster Life Sciences
Tirol und tauscht sich untereinander
aus. Wichtig am Standort sind auch
die Klinik und die Unis, mit denen
wir eng zusammenarbeiten.“ Mehr
Info auf
www.ergospect.com]
Von der Bachelorarbeit zum Unternehmen, das weltweit schon acht Millionen mal Mitarbeiter virtuell in Sachen
IT-Security geschult hat – E-SEC punktet mit 3D, Visualisierung und der Konfigurierbarkeit des Contents.
Virtuell geschulte Sicherheit
Foto:Andreas Friedle
Thomas Hugl: „Die Überschaubarkeit des Standorts Tirol ist ein Vorteil.“
Kathrin Prantner: „Zur Zeit der Firmengründung haben wir noch studiert.“
Foto:StandortagenturTirol
DREI FRAGEN AN
[ Wieland Alge ]
Sie bezeichnen Ihre Unter-
nehmensgründung im Jahr
1999 als einen Sprung ins
sehr kalteWasser…
Wieland Alge: …das auch
sehr dunkel war.Wir sind
reingesprungen und wussten nicht, ob wir
auf einer spitzen Klippe landen und tot sind.
Haben Sie sich damals überlegt, wo Sie in
15 Jahren sein wollen?
Wir sind aus der Uni rausgestolpert und
haben uns nicht überlegt, was in fünf oder
zehn Jahren, sondern was in fünf oder zehn
Wochen sein wird. Nachdem sich nach ein
paar Monaten herauskristallisiert hat, dass
wir mit den paar Ur-Kunden eine Chance
haben, etwas Standardisiertes zu entwickeln,
wussten wir Ende 2000, Anfang 2001, dass
es das sein könnte. Unverdient, weil nicht
geplant, aber die Once-in-a-Lifetime-Chan-
ce. Rückblickend war es vielleicht etwas
falsch, gute Kunden rauszupicken und sehr
viel für sie zu machen. Das Anschubsen war
zwar angenehm, aber irgendwann beginnt
es zu bremsen.
Sie sind 2007 an die Börse gegangen – ein
geplanter Börsengang?
Nein, 2006 hatten wir rund sechs Millionen
Umsatz und 50 bis 60 Mitarbeiter, waren
eigentlich ein Zwerg. Es war aber klar, dass
wir – wenn wir weiterwachsen und auf eine
relevante überregionale Bühne kommen
wollen – mehr machen müssen. Eine Mög-
lichkeit war Verkauf, eine zweite die Suche
nach neuem Eigenkapital, die dritte eben
die Börse.
Wieland Alge ist CEO/General Manager
der Barracuda Networks AG in Innsbruck
Foto:Standortagentur
Der Kapitalbedarf Tiroler Star t-ups
Thema: [ FINANZIERUNG ]
STANDORT
Für denTiroler Start-up-Szenemonitor wurden 146
Tiroler Gründer und Gründungsinteressierte befragt,
bezüglich Finanzierung zeigt das Stimmungsbild, dass
38% weniger als 50.000 Euro benötigen sowie 34%
zwischen 50.000 und 250.000, 22% brauchen mehr.
Im Jahr 2005
gründeten Kathrin
Prantner, Christian Molterer und
Christian Brandl die E-SEC GmbH
und spezialisierten sich auf Security
Awareness: Mitarbeiter bewegen
sich mittels einer eigens entwi-
ckelten Software durch ein virtu-
elles Firmengebäude und erlernen
interaktiv Verhaltensweisen zu Si-
cherheitsstandards. Inzwischen hat
E-SEC acht Millionen mal Mitarbei-
ter geschult. Infos:
www.e-sec.comund
www.exploodo.comE-SEC
Frank Steinbacher vermisst Unterwas-
sergeometrie nicht per Hand, sondern
mit Laser aus der Luft.
Foto:Andreas Friedle
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zw. 50.000 u. 250.000 €
über 250.000 €
keine Angabe
unter 50.000 €