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STANDORT
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STANDORT:
Tirol verbindet man
mit Bergen und Tourismus. Welche
Rolle spielt die Industrie im Land?
CHRISTOPH SWAROVSKI
: Natür-
lich ist es enorm wichtig, dass Tirol
mit Bergen und Tourismus in Ver-
bindung gebracht wird. Es ist aber
auch wichtig, dass Tirol noch mehr
mit industrieller Entwicklung, Zu-
kunftstechnologien und Hightech
gedanklich verbunden wird.
STANDORT:
Wo liegt das innovative
Potenzial der Tiroler Wirtschaft?
SWAROVSKI
: Das innovative Poten-
zial steckt in den Köpfen, wir müssen
es aktivieren und sich entfalten las-
sen. Die Standortagentur macht in
der Vernetzung innovativer Betriebe
in den Clustern einen sehr guten
Job. Die Konzentration auf Stärke-
felder wie z.B. Life Sciences oder IT
ist richtig, wir dürfen uns allerdings
nicht darauf beschränken. In un-
serer vernetzten Welt können sich
innovative Potenziale in fast allen Be-
reichen nahezu überall entwickeln.
STANDORT:
Weltweit sucht die eta-
blierte Industrie verstärkt die Nähe
zu Start-ups. Auch in Tirol?
SWAROVSKI:
Was Start-ups oft aus-
zeichnet, sind neue, frische Ideen.
Sie gehen anders und sehr direkt
an die Sachen heran. Sie fokussie-
ren mehr auf die Chancen, wagen
auch ein Scheitern und sehen we-
niger die Probleme. So können
sie Erfolge einfahren, die in den
großen, manchmal eingefahrenen
und schwerfälligen Strukturen von
Industriebetrieben nicht so rasch
möglich sind. Selbstverständlich hält
auch die Industrie in unserem Land
– neben ihren Forschungs- und
Entwicklungsaktivitäten – in ihren
jeweils relevanten Branchen nach
innovativen Ideen Ausschau.
STANDORT:
Was kann Tirols Indus-
trie Start-ups bieten?
SWAROVSKI:
Am besten bieten wir
ihnen faire Kooperationen, in denen
sie ihre Ideen in einer Struktur entwi-
ckeln können, die ihnen ein gewisses
Maß an Sicherheit bietet. Die Indus-
trie kann als Partner viel einbrin-
gen: Das beginnt bei den oft teuren
und aufwendigen Forschungs- und
Entwicklungslabors, geht über die
Unterstützung im Management bis
hin zur finanziellen Beteiligung. Die
Entwicklung zur Serienreife und die
industrielle Produktion sind unsere
Kernkompetenzen, die erfolgreiche
Start-ups irgendwann immer brau-
chen.
STANDORT:
Kann die Industrie von
Start-ups profitieren? Wenn ja, wie?
SWAROVSKI:
Kreative Ideen und
Innovationen sind der Treibstoff,
der die Wirtschaft bewegt. Die kom-
men von innen, aber zunehmend
auch von außen. Oftmals entstehen
dadurch völlig neue Geschäftsfelder.
Ich kann mir vorstellen, dass sich
Start-ups in Zukunft den Industrie-
partner aussuchen und nicht umge-
kehrt. ]
Kreative Ideen sind der Treibstoff
Christoph Swarovski, Präsident der Industriellenvereinigung Tirol, über
Potenziale am Standort und Chancen aus der Zusammenarbeit mit Start-ups.
Gründerland mit Tradition
[ konkret GESEHEN ]
E
s war die Energie aus billiger
Wasserkraft, die zwei Grün-
dungswillige nach Tirol lockte. Der
eine, 1862 im böhmischen Geor-
genthal geboren, hatte eine Ma-
schine entwickelt, die es erlaubte,
Kristalle wesentlich präziser zu
schleifen, als es bis dahin von Hand
möglich war. Dem anderen, 1886
in Prag zur Welt gekommen, war
es erstmals gelungen, einen soge-
nannten gezogenenWolframfaden
herzustellen. Für beide war ihre
Erfindung Start ins Unternehmer-
tum. Daniel Swarovski ließ sich 1895
inWattens nieder und baute ein
Kristall-Imperium auf, Paul Schwarz-
kopf kam 1921 nach Breitenwang,
wo er den Grundstein für ein Un-
ternehmen legte, das längst Welt-
marktführer in der Herstellung von
pulvermetallurgischenWerkstoffen
ist. Heute, rund 100 Jahre später,
zählen Swarovski und Plansee zu
den heimischen Traditionsbetrieben,
die allein in Tirol mehr als 7000
Mitarbeiter beschäftigen.
Doch Swarovski und Plansee
sind nur zwei Beispiele, die zeigen,
dass in Tirol Gründerdenken und
Innovationskraft zu Hause ist. 1952
etwa stießen die zwei Chemiker
Ernst Brandl und Hans Margreiter
auf Phenoxyethanol, das die Produk-
tion eines biologisch aktiveren, vor
allem aber säureresistenten Penicil-
lins ermöglichte. Dieses – weltweit
erste – Penicillin in Tablettenform
ermöglichte der Biochemie Kundl
einen rasanten Aufstieg, heute
zählt Sandoz Österreich mit 4000
Mitarbeitern in Kundl und Schafte-
nau zu den größten Herstellern von
Antibiotika weltweit, ist aber auch
Pionier auf dem Gebiet moderner
Biosimilars.
Mit Gründungsjahr 1990 ist das
Innsbruck Medizintechnikunter-
nehmen MED-EL imVergleich zu
Swarovski, Plansee und Sandoz
sozusagen ein Jungspund, das von
dem Ehepaar Ingeborg und Erwin
Hochmair entwickelte erste mikro-
elektronische Mehrkanal-Cochlea-
Implantat bedeutete aber einerseits
einen Meilenstein in der Behandlung
der Taubheit, andererseits auch die
Basis für eine wirtschaftliche Erfolgs-
story: MED-EL beschäftigt heute
weltweit mehr als 1700 Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter.
Ingeborg und Erwin Hochmair: Mit
Cochlea-Implantaten zumWelterfolg.
Foto:MED-EL
Tiroler Durchhaltevermögen
Thema: [ NEUGRÜNDUNGEN ]
STANDORT
2.694 neu gegründeteTiroler Unternehmen im Jahr 2015 bedeuten ein
Plus gegenüber demVorjahr von 281 Neugründungen. Stark zeigt sichTirol
auch beim langfristigen Bestehen von Jungunternehmen: Die Überlebensrate
vonTiroler Unternehmen drei Jahren nach Gründung liegt bei 80,3 Prozent,
nach fünf Jahren sind noch 70 von 100 Unternehmen aktiv.
Der Verein Startup.Tirol will Tirol zu einem attraktiven Start-up- und Innovations-Standort machen.
Helfen sollen dabei Unternehmer, die den Weg vom Start-up zur erfolgreichen Firma schon hinter sich haben.
Kompetente Aufstiegshilfen
Tirol ist ein klassisches KMU-Land
mit rund 20.000 KMUs, die ca. 172.000
Mitarbeiter beschäftigen, die 105 Großbe-
triebe zählen 63.000 Mitarbeiter. Inklusive
Einzelunternehmen erbringen ca. 365.000
Erwerbstätige eineWirtschaftsleistung von
rund 30 Milliarden Euro. Der Export ist
eine wichtige Stütze der TirolerWirtschaft:
Für 2016 wird mit einemWarenexport
in der Höhe von 11,8 Milliarden Euro
gerechnet.
Mit einer abgesetzten Produktion von
über 9,5 Milliarden Euro im Jahr 2014 ist
die Industrie eine wesentliche Säule des
Wirtschaftsstandorts Tirol. Erwirtschaftet
wurde dies in 429 Betrieben mit mehr als
42.500 ganzjährig Beschäftigten. Rund 68,9
Prozent (5,7 Milliarden Euro) der Tiroler
Industrieproduktion – unter anderem von
Weltmarktführern wie Swarovski, Plansee,
Sandoz (im Bild),Tyrolit und MED-EL –
werden exportiert. Hinter Vorarlberg (79,2
Prozent) und der Steiermark (70,2 Pro-
zent) bedeutet dies Platz 3 im österreichi-
schen Bundesländervergleich. Mehr als die
Hälfte (3,0 Milliarden Euro) der Exporte
geht in EU-Länder.
FAKTEN. INFOS.
[ Thema:Wirtschaft Tirol ]
Foto: IVTirol
Christoph Swarovski
ist geschäfts-
führender Gesellschafter der Tyro-
lit Schleifmittelwerke Swarovski
KG, Aufsichtsratsvorsitzender der
Tyrol Equity AG und Präsident der
Tiroler Industriellenvereinigung.
Christoph Swarovski: „Die Industrie
kann als Partner viel einbringen.“
Foto:Sandoz
I
m Anfang war in diesem Falle
nicht das Wort, sondern die Idee.
Und zwar die für eine gemeinsa-
me Website. Eine Website, sagt Mar-
cus Hofer, die von allen Tiroler Ins-
titutionen und Initiativen, „die sich
mit Start-ups beschäftigen“ mit In-
halten und Veranstaltungen bespielt
werden und „einen Überblick über
die heimische Start-up-Szene“ geben
sollte. Im Zuge der dafür geführten
Gespräche, so der Leiter des Bereichs
Betriebsansiedlung & Standortent-
wicklung der Standortagentur Tirol,
habe sich aber gezeigt, dass man ei-
gentlich mehr machen sollte.
Auf Initiative der Standortagentur
Tirol und des I.E.C.T. wurde daher
der Verein Startup.Tirol aus der Tau-
fe gehoben, der private Initiativen,
Investoren, ehemalige Start-ups so-
wie „alle, die am Start-up-Ökosystem
mitarbeiten wollen“ einen Platz bie-
ten soll. Gemeinsam will man Pro-
dukte und Leistungen anbieten, die
der Tiroler Start-up-Szene zugute
kommen und eine Lücke schließen
sollen. Denn, so der Tenor der Ge-
spräche, Tirol sei – auch mit Forma-
ten wie der 120 Sekunden Chance
oder dem adventure X – zwar stark
in der Bewusstseinsbildung bzw. der
Ideen- und Vorgründungsphase so-
wie – in Kombination mit dem ös-
terreichischen Fördersystem – in der
anfänglichen finanziellen Unterstüt-
zung, Probleme bereite aber die Um-
setzung. Hofer: „Diese Phase braucht
eine nach wie vor systematische, vor
allem aber sehr individuelle und län-
gerfristige Betreuung.“
Die primäre Aufgabe des Vereins
sieht Hofer deshalb im Aufbau ei-
nes Mentorenpools. In dessen Rah-
men sollen Unternehmer, die selbst
den Weg von der Idee übers Start-up
hin zur erfolgreichen Firma hinter
sich haben, Tiroler Start-ups gezielt
unter die Arme greifen. „Im Men-
torennetzwerk Tirol“, betont Wirt-
schaftslandesrätin Patrizia Zoller-
Frischauf, „können die ‚alten Hasen‘
der heimischen Wirtschaft ihr Know-
how und ihre Erfahrungen an den
Nachwuchs weitergeben.“ Bis zu 100
aktive Mentoren will man gewinnen.
Fördern will man aber auch die Zu-
sammenarbeit zwischen heimischen
Unternehmen und Start-ups an sich.
Auch künftige Start-up-Formate sol-
len gezielt die erste Arbeit am Markt
begleiten. „In Summe sehen wir ein
Potenzial für 80 echte Start-ups mit
1000 Arbeitsplätzen in fünf Jahren“,
so Hofer.
Übrigens: Trotz dieses ehrgeizigen
Ziels wurde die Ausgangsidee nicht
vergessen, die gemeinsame Website ist
schon im Aufbau: www.startup.tirol ]
Foto:AdobeStock
Erfolgreiche Unternehmer bilden das Mentorennetzwerk Tirol, das Start-ups auf demWeg nach oben helfen soll.