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STANDORT

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[ konkret GESEHEN]

Gründerumfeld mit Tradition

I

m Jahr 1895 kam ein gewisser

Daniel Swarovski in den kleinen

Tiroler Ort Wattens und startete

seine Kristallschleiferei amWatten-

bach – der Rest ist Tiroler Wirt-

schaftsgeschichte. Und knapp 120

Jahre später ist an eben dieser Stelle

wieder Gründergeist zu spüren.

2015 nahm der Swarovski-Kon-

zern 2,2 Millionen Euro in die Hand

(die gleiche Summe folgt 2016), um

Teile des altenWerk 2 für ein Grün-

derzentrum zu adaptieren. „Bei uns

ist der Werkstättencharakter echt“,

sagt Matthias Neeff, Geschäftsführer

der von der GemeindeWattens und

der D. Swarovski KG betriebenen

DestinationWattens Regionalent-

wicklung GmbH. „In der Werkstätte

Wattens wollen wir Start-ups in

ihrer Entwicklung begleiten und

langfristig ansiedeln“, betont Neeff.

Ein Konzept, das sich auch in der

Raum-Konzeption niederschlägt.

Dem Co-Working-Space sind 550

Quadratmeter für 30 Arbeitsplätze

gewidmet, ebenfalls 550 Quadrat-

meter nehmen die Team-Offices

ein, die von „g’standenen“ Start-ups

gemietet werden. Dazu kommen

für „produzierende Mieter“ noch

mietbareWerkstättenflächen sowie

das Fablab im Nebengebäude. „Wir

bieten aber nicht nur Infrastruktur“,

spricht Neeff das Serviceangebot

des Hauses an: Coaching- und

Mentoring-Programme, Accelera-

toren sowie Vorträge und Seminare.

Die dritte Säule des Konzepts sei

ein umfangreiches Netzwerk, das

zu Unis, Investoren, Experten und

Förderstellen aufgebaut und für die

Partner vor Ort geöffnet wird.

Jedenfalls sind dieWerkstätte und

ihr kollaboratives Arbeitsumfeld

schon jetzt u.a. mit dem Gründergeist

von Anyline, Kiweno, Micro Guided

Systems und Gronda beseelt: Und

mit der ersten Fraunhofer-Niederlas-

sung inTirol weht auch schon For-

schergeist amWattenbach. Info gibt‘s

auf

www.destination-wattens.at.

Ü

berlebt man einen Herzin-

farkt, bleibt eine Narbe am

Herzen zurück – nicht mehr

reparierbares Gewebe des Herzmus-

kels. „Dazu kommt, dass die Gewebe-

areale rund um die Narbe chronisch

unterversorgt sind und ihre Funk-

tion nicht mehr zur Gänze erfüllen

können“, weiß Johannes Holfeld. Als

Folge sinkt die Leistungsfähigkeit der

Patienten drastisch, das unterversorg-

te Areal ist daher Ziel regenerativer

Stammzellen- und Gentherapien, der

Mitarbeiter der Innsbrucker Unikli-

nik für Herzchirurgie setzt hingegen

auf die „Kraft“ der Stoßwellen.

Stoßwellen sind in der Medizin

nichtsUnbekanntes, zumEinsatz kom-

men sie etwa zur Nierensteinzertrüm-

merung oder bei Wund- und Kno-

chenheilungsstörungen. Holfeld will

Stoßwellen nun zu (s)einer Herzens-

angelegenheit machen. Gemeinsam

mit der Konstanzer Nonvasiv Medical

GmbH wurde der kleinste Stoßwel-

lenkopf der Welt entwickelt – mit ihm

soll während einer Herz-Bypass-Ope-

ration das offene Herz mit Stoßwellen

stimuliert werden. Die „unendlich

beeindruckenden Effekte“ konnten

schon im Zellkultur- und Tiermodell

sowie in einer ersten klinischen Stu-

die an zehn Patienten beobachten

werden. Holfelds Team belegte da-

bei die Sicherheit und Machbarkeit

der Methode, „zudem konnten wir

in unseren experimentellen Studien

aufklären, wie die Stoßwellentherapie

funktioniert“. Die Stoßwellen scheren

an der Zelloberfläche kleine, mit Pro-

teinen, RNA und Wachstumsfaktoren

gefüllte Bläschen ab, diese stimulieren

bei benachbarten gesunden Zellen ei-

nen bestimmten Rezeptor. Dieser wie-

derum setzt als Teil des angeborenen

Immunsystems ein Selbstheilungspro-

gramm in Gang, das zu neuemWachs-

tum von Blutgefäßen führt.

Mit diesen Ergebnissen entschloss

sich Holfeld, den Weg aus dem For-

schungslabor in die Klinik einzuschla-

gen. Den Businessplan für das Start-up

HeaRT – Heart Regeneration Techno-

logies erstellte er beimWettbewerb ad-

venture X, „wertvolle Unterstützung

waren CAST, die Standortagentur

Tirol sowie eine aws-PreSeed-Förde-

rung“. Ein Paket, das gemeinsam mit

wissenschaftlichen Auszeichnungen

bei der Investorensuche helfen sollte:

„CAST- und aws-Förderung bedeuten,

dass das Konzept von Experten be-

wertet wurde, ein Wissenschaftspreis,

dass Fachleute die Forschung über-

zeugend finden, adventure X, dass es

einen evaluierten Businessplan gibt.“

Und das Gesamtpaket zeigte Wir-

kung. „Für mich als Business Angel ist

es ganz wichtig, nicht nur in eine in-

novative Idee zu investieren, sondern

vor allem in das Team. Die Personen

hinter ‚HeaRT‘ haben mich von An-

fang an überzeugt“, hält Harald Ober-

rauch fest. Der Südtiroler Unterneh-

mer ließ auch den wirtschaftlichen

und medizinischen Ansatz durch die

Boston Consulting Group unter die

Lupe nehmen (Kostenpunkt 250.000

Euro), ehe er sich mit seiner Tyrole-

an Business Angel GmbH an HeaRT

beteiligte.

Der nächste Schritt ist nun eine

multizentrische und internationale

Studie mit 200 Patienten. 5,5 bis 6,5

Millionen Euro schätzt Holfeld für die

geplanten vier Jahre. Geld, das Ober-

rauch im Extremfall sogar alleine zur

Verfügung stellen würde. Ein Antrag

auf ein EU-Projekt ist aber gestellt,

je nach Höhe der Förderung schießt

der Südtiroler Investor die Differenz

zu. Harald Oberrauch will übrigens –

ganz im Sinne eines Business Angels

– mehr als Geld in das Unternehmen

einbringen, für Entwicklung und Pro-

duktion der Stoßwellengeräte steht

das Know-how seiner Firma Durst zur

Verfügung. ]

Akademischer Humus

Die Tiroler Universitäten und Fachhochschulen

sorgen für den guten Nährboden der Start-up-Szene.

R

und 40.000 junge Menschen

studieren in Tirol, zudem

lehren und forschen an den

acht Universitäten und Hochschu-

len quer über alle Fachrichtungen

hinweg knapp 5000 Forscherinnen

und Forscher – und viele von ihnen

verfolgen eine Idee, Erlerntes oder

Neues in ein eigenes Unternehmen

einzubringen.

War es etwa bei Kathrin Prantner

und E-SEC die wirtschaftliche Um-

setzung einer Bachelor-Arbeit am

Informatikinstitut der Universität

Innsbruck, flossen in die ViraThe-

rapeutics GmbH Erkenntnisse rund

um die neuartige Behandlung von

fortgeschrittenen Tumoren auf Ba-

sis krebstötender Viren, welche die

Virologin Dorothee von Laer an der

Medizinischen Universität Innsbruck

gesammelt hatte.

Johannes Hilbe kombinierte sein

Know-how aus 20 Jahren Arbeit als

Krankenpfleger sowie ein Studium

der Medizinischen Informatik an

der Tiroler Privatuniversität UMIT,

um mit einem Alarmsystem, das Stür-

ze von Patienten aus dem Pflegebett

verhindern soll, als Unternehmer

durchzustarten.

Und an der Innsbrucker Fach-

hochschule MCI entstand die Idee

für eine innovative Technologie zur

Biokohle-Holzvergasung, deren Um-

setzung setzte sich das Start-up Syn-

Craft zum Ziel – zwei Kraftwerke sind

schon am Laufen, zwei werden der-

zeit gebaut.

Doch nicht nur unter Studieren-

den und Forschern hat das Thema

Entrepreneurship in den letzten

Jahren zunehmend an Bedeutung

gewonnen, auch die Hochschulen

selbst legen immer mehr Wert auf

ihre Start-up- und Spin-off-Aktivitä-

ten und etablierten dafür zuständige

Serviceeinrichtungen. Die Uni Inns-

bruck ging sogar einen Schritt weiter:

Mit dem Lehrstuhl für Innovation

und Entrepreneurship – unter der

Leitung von Johann Füller – wurde

die Möglichkeit für Studierende ge-

schaffen, theoretisches Wissen direkt

in der Praxis umzusetzen. Eine Initi-

ative, die dort entstand, verknüpfte

Innovation und Sport und schuf mit

Skinnovation das erste Tiroler Start-

up Event auf Ski. ]

Foto:StandortagenturTirol

Foto:WerkstätteWattens

Foto: Iuni Innsbruck

Tirol ist ein Top-Technologiestandor t

Thema: [ F&E-AUSGABEN ]

STANDORT

Die F&E-Daten der Statistik Austria für 2013 weisenTirol als Technolo-

gieland aus: Die Forschungsquote lag bei 3,12% (Österreich 2,97%, EU 2,0%).

Die Forschungsausgaben beliefen sich auf 911 Mio. Euro (2011: 729 Mio.), da-

von entfielen 578 Mio. auf Unternehmen (2011: 416 Mio.). 41,5% der Tiroler

F&E-Ausgaben wurden 2013 für angewandte Forschung aufgewendet.

DREI FRAGEN AN

[ Hermann Hauser ]

Was reizt Sie an derTiro-

ler Start-up-Szene?

Hermann Hauser:Als mich

mein Cousin Josef vor über

zwei Jahren angesprochen

hatte, dass es viel Potenzial

inTirol gibt, war ich ehrlich gesagt noch

etwas skeptisch.Wir haben 2015 mit der

Alpbach Summer School begonnen, nach

Forschungsprojekten mit kommerziellerVer-

wertbarkeit zu suchen und mit diesen zu ar-

beiten. Und ich war sehr überrascht, wie gut

die Qualität der Projekte hier im Alpen- und

Voralpenraum ist. Diese sind nämlich genau

so gut wie jene, die ich im SiliconValley oder

in Cambridge sehe. Deshalb habe ich mich

dazu entschlossen, mit meinen Cousins Josef

und Hannes das I.E.C.T. Hermann Hauser zu

gründen. Es ist natürlich klar, dass michTirol

als gebürtigerTiroler besonders reizt.

Wo hat dasTiroler Start-up-Ökosystem

Aufholbedarf?

Wichtig ist es, ein Klima zu schaffen, das

motivierend und unterstützend für gute

Leute und Ideen ist. Mit den Universitäten

und den erfolgreichen Unternehmen am

Standort gibt es meiner Meinung nach ein

tolles Potenzial.

Wie kann man Know-how aufbauen, das

die Szene braucht?

Vieles ist schon da. Ich sehe dieVoraus-

setzungen ähnlich wie in Cambridge vor

ungefähr 20 Jahren. In dieser Phase ist es ins-

besondere wichtig, dass man Unternehmer-

tum konsequent fördert, die besten Ideen

unterstützt und die Angebote am Standort

so abstimmt, dass sie die bestenVorausset-

zungen für die Start-ups schaffen.

Risikokapital-Unternehmer Hermann

Hauser ist Gründer des „Institute for En-

trepreneurship Cambridge-Tirol“ (I.E.C.T)

Foto:Andreas Friedle

Acht Hochschulen und 40.000 Studie­

rende bieten Potenzial für Start-ups.

Der Co-Working-Space der WerkstätteWattens verfügt 30 Arbeitsplätze.

Der Herzchirurg Johannes Holfeld erforscht die Selbstregeneration von geschädigtem Herzmuskelgewebe. Der innovative Stoßwellenkopf dazu wurde schon entwi-

ckelt,Vorstudien wurden erfolgreich abgeschlossen, mit dem Südtiroler Unternehmer Harald Oberrauch fand das Tiroler Start-up HeaRT einen potenten Investor.

HeaRT Regeneration Technologies:

Stoßwellen für Herzensangelegenheiten