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STANDORT

WELLNESS

Thema: [ TOURISMUS-STUDIE ]

Eine Studie der Österreichischen Hotel- undTourismusbank ergibt folgendes

Bild: Hotels, die mehr als 50.000 Euro GOP/Zimmer (Betriebsergebnis pro Zim­

mer) erwirtschaften, sind zu 85 Prozent klar positioniert (und eindeutig auf eine

Zielgruppe hin ausgerichtet) und zu 65 Prozent imWellnessthema positioniert.Wei­

ters sind diese diese zu zehn Prozent auf medizinische Zusatzangebote spezialisiert.

Wellness-Positionierung zeigt Wirkung

FAKTEN. NEWS.

[ Thema:Wellness ]

Gemeinsam mit acht Partner aus

Salzburg, Südtirol und der Provinz Udine hat

der ClusterWellness Tirol ein Interreg-Pro­

jekt zumThema „Gesundheitstourismus im

Winter“ eingereicht. Das ProjektWinHealth

zielt auf eine nachhaltige gesundheitstouris­

tische Inwertsetzung des alpinen Natur- &

Kulturraums imWintertourismus ab, um

dem wachsenden Adaptions- & Diversifi­

kationsdruck durch den Klimawandel und

veränderte Gästebedürfnisse zu begegnen.

Es sollen grenzüberschreitend innovative

gesundheitstouristischeWertschöpfungsket­

ten & Business Modelle für dieWintersaison

entwickelt werden, welche die schnee­

basierten Kernangebote nicht ersetzen,

sondern ergänzen.

Im Zusammenschluss von Gesundheit

undTourismus forciert der ClusterWell­

ness Tirol den evidenzbasierten Gesund­

heitstourismus auf Unternehmensebene.

Im Projekt „Wellness mit Wirkung“ werden

mit Medizin-Partnern klassischeWellness­

elemente wie Sauna,Yoga und Massage mit

wissenschaftlichen Studien untermauert

und so als „Wellness mit Wirkung“ für

den Unternehmer in einer verständlichen

Informationsbroschüre aufbereitet.

STANDORT:

Wir haben ein Bett

zum Schlafen, haben Essen und Du-

sche, können in die Sauna und zur

Massage. Warum geht man dann ei-

gentlich in ein Wellness-Hotel ?

FRANZ LINSER:

Weil Wellness-

Hotels als eine Art Gegenwelt kon-

zipiert sind bzw. sein sollen. Daheim

stapeln sich Bücher am Nachtkastl,

im Urlaub will ich Zeit haben zum

Lesen. Im Alltag esse ich unregel-

mäßig, im Urlaub soll es regelmäßig

sein. Im Alltag lebe ich ungesund, im

Urlaub will ich erfahren, was gesund

ist. Diese Gegenwelt funktioniert

am besten, wenn sie die zentralen

Lebensbereiche umfasst: Essen, Be-

wegen, Schlafen und Körperpflege

– diese aber nicht nur im Sinne von

Kosmetik, sondern als Körperpflege

von Innen.

STANDORT:

Also ein Zurückfüh-

ren von stressiger Alltags-Lebensfüh-

rungen in die Normalität?

LINSER:

Ja, das ist eine der Hauptauf-

gaben von einem guten Wellness-Ho-

tel. Es sollte ein Well-Being, ein „Ich

fühle mich wohl in meiner Haut“ er-

zeugen können. Versteht man es so,

ist ein singulärer Wellness-Bereich im

Keller mit warmer Sauna bis 22 Uhr

nicht genug. Wellness wurde in den

USA ja als Lebensphilosophie und

nicht als Abteilung im Hotel entwi-

ckelt. Viele, die nur so arbeiten, sind

jetzt in der Preiskampfspirale, da sich

der Kunde sagt: „Die bieten eh alle

das Gleiche an.“

STANDORT:

Kann die „Gegenwelt

zum Alltag“, das „Zurückführen in

die Normalität“ in einer 400-Betten-

Burg funktionieren?

LINSER:

Bei uns gab es eine Zeit lang

die Tendenz, sich zu vergrößern. Man

darf aber eines nicht vergessen: In

Tirol hat es die Wellness-Hotellerie

erreicht, dass aus Saisonbetrieben

Ganzjahresbetriebe wurden – eine

große Leistung Mitte der 1990er Jah-

re, die eigentlich nie gewürdigt wur-

de. Legt man aber das Grundprinzip

„Ich vermiete Zimmer“ auf ein Well-

ness-Hotel um, stellt sich die Frage,

wo das Geld für die Wellness bleibt.

Wellness ist bei uns immer noch gra-

tis. Begonnen hat es mit 150 Betten

und ein paar Saunen dazu. Das hat

jahrelang funktioniert, für Gast, Ho-

telier und Mitarbeiter. Mittlerweile

kostet aber das, was wir als Wellness

definieren, mehr als das restliche Ho-

tel: Ein neuer Zimmertrakt ist billiger

als der Wellnessbereich, ebenso ist es

bei den Betriebskosten.

STANDORT:

Sehen Sie Alternativen?

LINSER:

Ich sehe zwei Möglichkeiten.

Zum einen bei der Software, nicht bei

der Hardware nachzulegen.

STANDORT:

Wie das?

LINSER:

Durch das Anbieten von

Programmen und Konzepten in der

vorhandenen Infrastruktur kann

der Weg zurück in verrechenbare

Leistungen gefunden werden. Für

die Sauna allein Geld zu verlangen,

führt zum Verlust der Gäste. Die Al-

ternative heißt, eine echte Fachkraft

hinzustellen, die sich mit Saunen aus-

kennt und berät z.B. ob diese Sauna

mit dem Blutdruck des Gastes zusam-

menpasst. Oder abgestimmte Mehr-

tagesprogramme zum Abnehmen,

bei Schlafstörungen etc., die durch-

aus was kosten können, die aber auch

was bringen müssen.

STANDORT:

…und die zweite Alter-

native?

LINSER:

Viele mittlere Hotels neh-

men sich die großen Top-Adressen als

Maßstab und glauben, dass es ihnen

dann auch gut gehen würde. Das ist

ein Fehler: Das, was die anderen in 30

Jahren aufgebaut haben, kann man

nicht mehr aufbauen. Da unsere Ge-

sellschaft aber immer mehr Probleme

im mentalen Bereich hat – Stichwort

Burn Out – und das Bedürfnis nach

Ruhe, nach dem „weg-vom-Schuss-

Sein“ steigt, werden kleinstrukturierte

Angebote immer mehr nachgefragt

werden. Das hat Potenzial. Vor allem

ist es etwas, mit dem Tirol immer ge-

punktet hat: echt, familiär, persönlich.

STANDORT:

Wohin entwickelt sich

Ihrer Meinung nach Wellness?

LINSER:

Bis dato war Wellness ein

Produkt, das man sich gönnt, über

dem „Das will ich“ steht. Immer mehr

wird es aber zu einem Produkt, über

dem „Das brauche ich“ steht. Die-

se Entwicklung kann man noch gar

nicht abschätzen, sie reicht auch weit

über den Tourismus hinaus. Ein ame-

rikanischer Arzt hat einmal gesagt

„In the future we have to teach peo-

ple how to live“. Ich bin der festen

Überzeugung, dass das stimmt. Inso-

fern reicht Wellness 2.0 oder 3.0 in

unseren Alltag, es wird um eine Art

Lifecoaching gehen. ]

Foto:Andreas Friedle

[ konkret GESEHEN]

Kernkompetenzen bündeln

T

irol ist weltweit bekannt als

Tourismusdestination, die sowohl

imWinter als auch im Sommer

Millionen Gäste anlockt.Tirol hat sich

aber auch zu einemWirtschafts- und

Technologiestandort entwickelt, der

für Innovation,Wertschöpfung und

Wachstum sowie Gesundheit und

Lebensqualität steht. „Doch es bleibt

eine Frage“, stellt Harald Gohm,

Geschäftsführer der Standortagentur

Tirol, in den Raum: „Wie können

wir neben Begriffen wie ‚schönes

Land‘, ‚qualifizierte Arbeitskräfte‘ und

‚zentrale Lage‘, mit welchen auch

unsere Nachbarregionen werben,

unverwechselbar werden?“ Eine

Antwort darauf lautet intelligente

Spezialisierung durch Bündelung der

Tiroler Kernkompetenzen in den

BereichenTechnologie,Tourismus und

Gesundheit.

Bereits in den 1970er Jahren gelang

dies bei der Verbindung vonWellness

undTourismus, bei der Tirol inter­

national Vorreiter war. Heute treibt

die Standortagentur Tirol Leucht­

turmprojekte gezielt voran. So etwa

in Sinfonia, einem mit 27 Millionen

Euro geförderten EU-Projekt, das

sich um Energieeffizienz beim Bauen

undWohnen in Städten dreht. Oder

beimThema Beschneiung. „Hier ver­

suchen wir, ein Entwicklungszentrum

für innovative Pistenbeschneiung

aufzubauen, in demWirtschaft und

Wissenschaft gemeinsam Produkte,

Dienstleistungen undVerfahren ent­

wickeln, mit denen die Effizienz der

Schneeproduktion und des Pisten­

managements gesteigert und zugleich

der Ressourceneinsatz verringert

werden können“, erklärt Gohm.

Auch im Bereich Gesundheits­

tourismus setze man auf Speziali­

sierungen, bei denen das gesamte

Spektrum von der Prävention über

die Behandlung bis zur Regeneration

mit demTourismus Hand in Hand

gehen. Für Tirol tue sich ein Zu­

kunftsmarkt auf, meint Gohm. „Hier

ergeben sich auch für denWellness-

Bereich zahlreiche Chancen, vom

Anlagenbau über die Entwicklung

innovativer Geschäftsmodelle und

die Lebensmittelproduktion hin zur

Architektur und der Medizin.Tirol

ist geradezu prädestiniert, in diesen

Bereichen eineVorreiterrolle einzu­

nehmen und seine Kompetenzen zu

nützen, um klare Alleinstellungsmerk­

male aufzubauen.“

Aktive Kooperationen

Im Cluster Wellness Tirol vernetzen sich über 100

Mitglieder, um gemeinsam Innovationen anzustoßen.

E

s ist ein Netzwerk, das sich

über ganz Tirol erstreckt, 105

Mitglieder, die gemeinsam

7.300 Mitarbeiter beschäftigen und

2015 einen Jahresumsatz von 461

Millionen Euro erwirtschafteten –

der Cluster Wellness Tirol. „Unsere

Cluster sind Netzwerke von Unter-

nehmen, Forschungseinrichtungen,

Bildungsanbietern und Interessens-

vertretungen in wirtschaftlichen und

technologischen

Stärkefeldern“,

beschreibt Harald Gohm, Geschäfts-

führer der Standortagentur Tirol,

die alpinen Innovationsplattformen.

Die Mitglieder nutzen gemeinsame

Synergien, um Innovationen voran-

zutreiben, und spezielle Services.

„Im In- und Ausland verbessert der

geschlossene Auftritt die Sichtbarkeit

der Branchen und ihrer Kompeten-

zen“, sagt Gohm. Aktueller Schwer-

punkt der Arbeit des Cluster Wellness

sind Projekte in den Bereichen Medi-

zintourismus und gesundheitstouris-

tische Anwendung, alpiner Gesund-

heitstourismus, die Optimierung von

Wellnessanlagen und innovative Ge-

schäftsmodelle im zweiten Gesund-

heitsmarkt.

Aktiv gefördert wird aber auch die

Zusammenarbeit mit den anderen

vier Clustern der Standortagentur

(Erneuerbare Energien, IT, Mecha-

tronik, Life Sciences). Knapp 400

Mitglieder mit rund 50.000 Arbeits-

plätzen und zehn Milliarden Euro

Jahresumsatz ergeben eine Aus-

tauschplattform, die rege genutzt

wird – rund 2.500 Teilnehmer be-

suchten im Jahr 2015 Workshops, In-

fo-Veranstaltungen, Exkursionen und

Tagungen. Harald Gohm: „Themen

wie eHealth, Telemedizin oder Ro-

botik in der Medizin muss man ange-

hen, indem man branchenübergrei-

fend denkt. Wellness und Gesundheit

stehen hier sinnbildlich dafür: Es

geht umMedizin, um Ernährung, um

Psychologie, aber auch um Mobilität,

Lebensmittelproduktion,

Energie

und Energieeffizienz usw.“ Infos auf:

www.standort-tirol.at/wellness

]

Interview:

Das Wellness-Hotel als gesunde Gegenwelt

„Wellness wird zu

einem Produkt, über

dem ‚Das brauche

ich‘ steht.“

Franz Linser

studierte Sport und

Anglistik an der Universität Inns­

bruck. Dort war er – nach zwei

Jahren in den USA – als Lektor tätig,

von 1989 bis 1992 trainierte er das

österreichische Ski-Nationalteam.

1993 gründete er eine Beratungs­

firma, ist seither als Unternehmer

im BereichWellness- und Gesund­

heitstourismus tätig und entwickelt

international Hotelkonzepte. Info:

www.linserhospitality.com

Harald Gohm: „Wir treiben Leucht­

turmprojekte gezielt voran.“

Rund 2.500 Teilnehmer besuchten

2015 Veranstaltungen der fünf Cluster.

Foto:Andreas Friedle

Foto:Aqua Dome

Foto:StandortagenturTirol