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STANDORT

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1

A

us wie vielen Zellen ein

Mensch besteht, lässt sich

nicht so einfach sagen, jede

ist jedenfalls ein Wunderwerk – mit

eigener Energieversorgung. Als

„Kraftwerk der Zellen“ werden die

Mitochondrien gerne bezeichnet, da

sie für die Zellatmung verantwortlich

sind – ein biochemischer Prozess, bei

dem Nährstoffe, vor allem Kohlenhy-

drate und Fettsäuren, zur Energiege-

winnung und Aufrechterhaltung der

Lebensvorgänge verbrannt werden

sowie chemische Energie in Form

von ATP gespeichert wird. Der stu-

dierte Biologe Erich Gnaiger hat sich

auf die Messung dieser Zellatmung

spezialisiert. Anfang der 1990er Jah-

re brachte er sein erstes Messgerät

auf den Markt, heute sind Geräte

seines Innsbrucker Unternehmens

Oroboros weltweit in rund 800 Labo-

ren im Einsatz.

„Wir können anhand von gerin-

gen Probemengen aus Muskelgewe-

be oder dem Blut die Intensität der

Zellatmung messen – und das mit

einer einzigartig hohen Auflösung“,

sagt Gnaiger. Ein Zusatzmodul am

Oxygraph-2k ermöglicht optische

Fluoreszenzmessungen, mit der un-

ter anderem auch die Produktion

von Sauerstoffradikalen und ATP,

die Kalzium-Konzentration oder das

mitochondriale Membran-Potenzial

bestimmt werden können. Werte, die

eine wichtige Rolle bei der Diagno-

se etwa von Diabetes 2 oder Demenz

spielen. Doch Gnaiger möchte mehr,

er möchte die Messung der Zellat-

mung für die Präventivmedizin und

eine Lebensstildiagnostik anwenden.

Teil eins dieser Forschungsarbeit

beschäftigt sich damit, ob mitochon-

driale Funktionen „so frühzeitig ei-

nen messbaren Ausschlag zeigen,

dass sie als Frühwarnsystem einge-

setzt werden können.“ Wenn aber,

ist Gnaiger überzeugt, sind sie mit

dem Oxygraph-2k messbar, daher ar-

beitet man in einem vom Land Tirol

geförderten Projekt an einem welt-

weit harmonisierten Messstandard,

um Studienergebnisse aus aller

Welt in eine Datenbank einfließen

zu lassen. Die Daten (Gnaiger: „Wir

denken dabei an Daten von 400.000

Menschen.“) wären die Grundlage,

um Fragen nach dem Zusammen-

hang von messbarer mitochondri-

aler Fitness mit Energielosigkeit,

Ernährungsverhalten,

Bewegung

oder Übergewicht nachzugehen.

Eine Vision, räumt Gnaiger ein, die

aber auch in Brüssel Gehör fand. Im

September startete unter Gnaigers

Leitung das vierjährige EU-Projekt

MITOEAGLE, das sich „mit 300 bis

400 Partnerinnen und Partnern

dem Thema ‚Mitochondrial Map-

ping: Evolution – Age – Gender –

Lifestyle – Environment‘“ widmet.

Mehr Info unter

wiki.oroboros.at

]

Zelluläre Atmungsfragen

Oroboros ist Weltmarktführer im Bereich der Messung von Zellatmung. In

Zukunft will man dieses Know-how auch für eine Lebensstildiagnostik einsetzen.

Erich Gnaiger: „Messung der Zellatmung auch für eine Präventivmedizin.“

Foto:Andreas Friedle

HEALTH

Thema: [ STANDORTTIROL ]

Mit dem Gründungsjahr 1668 zählt die Universität Innsbruck zu einer der ältesten Österreichs, knapp 350 Jahre

später ist sie in Tirol keine „Alleinunterhalterin“ mehr: Mit der Medizinischen Universität Innsbruck, der privaten health

& life sciences university UMIT, den drei Fachhochschulen FH Gesundheit, MCI und FH Kufstein sowie zwei Päda-

gogischen Hochschulen bildet die Uni Innsbruck einen starken Forschungsstandort Tirol. Der Forschungsstandort in

Zahlen: knapp 35.000 Studierende, 6.300 Mitarbeiter und ein jährliches Budgetvolumen von 400 Millionen Euro.

Forschen im Herz der Alpen

FAKTEN. NEWS.

[ Thema: Forschung ]

Die Tiroler Forschung in den

Bereichen Medizin und Gesundheit ist

weltweit anerkannt und vernetzt, viele

internationale Großprojekte werden von

Innsbruck aus geleitet. So steht etwa Erich

Gnaiger mit seinem Unternehmen Oro-

boros dem EU-Projekt MITOEAGLE vor

(Beitrag li. un.), Hermann Stuppner (Bei-

trag li.) koordiniert das Projekt medihealth,

in dem Partner aus zehn Ländern essbare

Pflanzen und ihren Einfluss auf gesundes

Altern untersuchen. Die Gynäkologin Ni-

cole Concin (Bild li.) führt

das EU-weite Konsortium

GANNET53 an, das eine

innovative, neue Therapie

für das Ovarialkarzinom

erforscht. In dem Pro-

jekt APERIM wiederum – koordiniert

vom Innsbrucker Bioinformatiker Zlatko

Trajanoski – werden für personalisierte

Immuntherapien neue bioinformatische

Lösungsansätze für die Datenaufberei-

tung entwickelt. Im Rahmen des Human

Brain Projects, ein Flaggschiffprojekt der

Europäischen Kommission, werden unter

der Leitung von Alois Saria (Medizinische

Universität Innsbruck) Ausbildungspläne

erarbeitet, die den Anforderungen der

Zukunft der neurowissenschaftlichen For-

schung entsprechen. Und

Michaela Kress, Physiologin

an der Medizinischen Uni-

versität Innsbruck, (Bild li.)

widmet sich mit internatio-

nalen Partnern in ncRNA-

Pain der Entwicklung neuer Perspektiven

in der Schmerzmedizin.

Foto:Andreas Friedle

Foto:Andreas Friedle

Ein Flow im Schlauch

Das Sensorsystem des Medtech-Unternehmens

CubileHealth misst Daten (wie) im Schlaf.

E

igentlich ist es nur luftdicht

verpackter Schaumstoff, rund

fünfzig mal zehn Zentimeter

groß, knapp einen Zentimeter dick,

kein Metall und keine Elektronik.

Doch drückt man das Pad, entweicht

Luft durch einen dünnen Schlauch.

„Ein Flow-Sensor am Ende des

Schlauches misst die Geschwindigkeit

dieser Luft“, erklärt Johannes Hilbe

das System, das im wahrsten Sinne ei-

nen Lufthauch spürt. Unter eine Ma-

tratze gelegt, reagiert es auf Rumoren

im Schlaf, aber auch auf simple Atem-

bewegungen und schickt Luft in den

Schlauch. Für die dabei gewonnenen

Daten braucht es Hilbes Partner Karl

Fritscher – der Tiroler Bioinformati-

ker hat einen Algorithmus entwickelt‚

der aus den Flowwerten die Atem- und

Herzfrequenz berechnet, die noch

dazu bildschirmgerecht aufbereitet

und via App ans Smartphone oder an

einen PC gesendet werden. „Neben

‚einfachen‘ Fragen wie ‚Wann und

wie schläft jemand bzw. wann steht je-

mand auf?‘ können auch komplexere

Sachen wie Herz- und Lungenaktivi-

tät erfasst werden“, beschreibt Hilbe

die gemeinsame Erfindung Cubile.

Im Auge hat man vor allem den

Pflege- und Krankenhausbereich,

um das betreuende Personal zu ent-

lasten, die Möglichkeiten von Cubile,

so Hilbe, seien aber nahezu unend-

lich. „Cubile kann auch als einfacher

Life Check während eines Wellness­

aufenthalts eingesetzt werden, um

etwa den Erholungswert anhand

schlafrelevanter Daten den Gästen

zu zeigen“, blickt Hilbe in die weitere

Zukunft von Cubile, das im Frühjahr

2017 marktreif sein soll. Mehr Infos

auf

www.cubilehealth.com

]

Foto:Andreas Friedle

Johannes Hilbe und Karl Fritscher

(v.li.

) wollen mit Cubile 2017 auf den Markt.

O

bwohl er an der Universi-

tät Innsbruck arbeitet und

pflanzliche Wirkstoffe sein

Spezialgebiet sind, war das Edelweiß,

gibt Hermann Stuppner zu, für ihn

lange Zeit kein Thema. Das sollte sich

ändern, als im Jahr 2000 ein Innsbru-

cker an ihn herantrat. Ob Stuppner

denn nicht Lust hätte, das Edelweiß

im Labor genauer zu untersuchen,

er hätte als Edelweiß-Züchter gerade

welche übrig. Warum nicht, dach-

te sich der Forscher, vor allem, als

erste Recherchen zeigten, dass das

Edelweiß früher in der Volksmedizin

gegen Bauchweh zum Einsatz kam.

Es folgten erste phytochemische und

pharmakologische Untersuchungen,

die zeigten, dass sowohl die ober- als

auch die unterirdischen Teile des

Edelweiß „interessante entzündungs-

hemmende Eigenschaften“ haben.

So richtig loslegen konnte das Team

des Departments für Pharmakogno-

sie dann durch einen Kontakt in die

Schweiz, wo die geschützte Pflanze

großflächig gezüchtet wird.

„Wir kennen inzwischen rund 60

Komponenten, die wir isoliert, cha-

rakterisiert und zum Großteil phar-

makologisch untersucht haben“,

berichtet Stuppner. Vor allem zwei

erstmals beschriebene Substanzen

haben es den Forschern angetan

– Edelweißsäure und Leoligin. Die

Edelweißsäure, so zeigen die wissen-

schaftlichen Analysen, ist eine stark

antioxidativ wirkende Verbindung

und ein Radikalfänger, scheint somit

unter anderem das Edelweiß vor der

intensiven UV-Strahlung in alpiner

Höhe zu schützen. „Da besteht na-

türlich großes Interesse der kosme-

tischen Industrie“, sagt Stuppner:

„Ob die Edelweißsäure die Eigen-

schaft hat, den Alterungsprozess der

Haut zumindest für eine Zeit aufzu-

halten, klären wir in einem Projekt

mit dem Innsbrucker Institut für Al-

ternsforschung ab.“

Das aus den Wurzeln gewonnene

Leoligin nahm man gemeinsam mit

der Universitätsklinik für Herzchi-

rurgie der Medizinischen Universität

Innsbruck unter die Lupe. „Es hat

sich gezeigt, dass Leoligin vor der

arteriosklerotischen Veränderung

von Gefäßen schützt“, berichtet der

Professor für Pharmakognosie. Da

es auch nach Bypass-Operationen

erneut zu Gefäßverdickungen kom-

men kann, wurde im Mausmodell

ein Leoligin-Depot rund um die

implantierten Gefäße angelegt.

Stuppner: „Wir konnten einen signi-

fikanten Unterschied zur Gruppe

ohne Leoligin feststellen.“

Zwei Patente haben die Innsbru-

cker Forscher für ihre Edelweiß-Ent-

deckungen angemeldet, in einem

großen Forschungsnetzwerk wurde

die Wirksubstanz noch näher unter-

sucht, synthetisiert sowie zahlreiche

Derivate – mit teilweise noch besse-

rer Wirkung – gewonnen. Zwar habe

man, so Stuppner, bislang keine to-

xikologischen Effekte von Leoligin

nachweisen können, um aber für

eine potenzielle Arzneimittelent-

wicklung interessant zu sein, fehle

noch die gesamte toxikologische

Untersuchung von Leoligin – eine

aufwendige, vor allem aber auch kos­

tenintensive Angelegenheit. ]

Phytopharmazie:

Die Heilkräfte des Edelweiß

Das Edelweiß ist der Star der alpinen Pflanzenwelt, Hermann Stuppner „entlockte“ ihm zwei Substanzen, die für Kosmetik und Medizin interessant sein könnten.

Fotos:Marian Kröll,Andreas Friedle