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STANDORT:

Industrie 4.0 steht für

eine vierte industrielle Revolution.

Wie soll diese aussehen?

Birgit Vogel-Heuser:

Ich sehe

es persönlich eher als Evolution.

Als Revolution wird es beschrieben,

weil man der Meinung ist, dass jetzt

praktisch alle Informationen, die

man immer haben wollte, zur Ver-

fügung stehen. Wir haben jetzt ein

informationsgetriebenes Fertigen,

wir haben alle Informationen aus

dem Engineering, aus dem Betrieb,

aus anderen Betrieben, von Mitbe-

werbern zur Verfügung und kön-

nen mit diesen Informationen ganz

neue Geschäftsmodelle entwickeln.

STANDORT:

Evolution deswegen,

weil schon Vorhandenes besser zur

Verfügung zu stellen ist?

Vogel-Heuser:

Ja. Die Infor-

mationen sind da, aber noch nicht

nutzbar, weil beispielsweise Schnitt-

stellen fehlen, weil wir auch an eige-

ne Informationen in Unternehmen

nicht „rankommen“.

STANDORT:

Sie beschäftigen sich

mit Industrie 4.0 als cyberphysisches

System. Um was geht es dabei?

Vogel-Heuser:

Prinzipiell geht

es um vier Aspekte. Zum einen um

Architekturmodelle – wie verstän-

digen sich verschiedene Produk-

tionsanlagen untereinander. Ein

Beispiel: Jemand möchte einen

Joghurt, der nie produziert wur-

de. Man kann über sein smartes

Device direkt über eine Plattform

diesen Sonderwunsch konfigurie-

ren. Die Plattform fragt dann bei

allen Produktionsanlagen nach, ob

dieser Joghurt herstellbar ist. Die

Produktionsanlagen entscheiden,

ob sie diesen Joghurt herstellen

können, und bieten ihn mit Preis

und Termin an. Und wenn eine

Anlage ausfällt, wird automatisch

die nächste Anlage angefragt. Für

diese Verständigung braucht es da-

tentechnische Architekturmodelle,

das Ergebnis sind sogenannte intel-

ligente Produkte und Produktions-

einheiten – der zweite Aspekt von

Industrie 4.0.

STANDORT:

Und die Punkte 3

und 4?

Vogel-Heuser:

Aspekt Num-

mer 3 wäre „Kommunikation und

Datendurchgängigkeit“, bei dem

es auch um die Sicherheit geht.

Und schließlich der vierte Aspekt,

die „Datenaufbereitung für den

Menschen“ – der Mensch als Nut-

zer, aber auch als Anlagenoperator

oder Anlagenkonstrukteur.

STANDORT:

Tirol ist auch ein

Land mit vielen KMUs, auch in der

IT-Szene. Bietet Industrie 4.0 dafür

ein Potenzial?

Vogel-Heuser:

Diese vier Be-

reiche treffen auf alle Unterneh-

men zu. Außerdem muss man nicht

den Schalter komplett auf Industrie

4.0 umlegen. Es ist vollkommen in

Ordnung, wenn man für das eige-

ne Unternehmen und den eigenen

Markt überlegt, womit man den

größten Nutzen hat. Ich rate das

auch den KMUs in Deutschland,

z.B. zunächst mit statistischen Ver-

fahren die Verknüpfung von Qua-

litäts- und Produktionsdaten über

mehrere Anlagen hinweg zu ana-

lysieren. Damit hat man schon viel

erreicht, auch wenn man versucht,

Daten der Zulieferer von Sensoren

bzw. Aktuatoren zu integrieren. ]

Smarte Produktion. Birgit Vogel-Heuser, Professorin für Automatisierung und

Informationssystemen, über Industrie 4.0 und den Nutzen für KMUs.

Eine Evolution der

heutigen Industrie

Standort

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STANDORT 04|14

[ Thema: Inhalt ]

Birgit Vogel-Heuser über vier wichtige

Aspekte von Industrie 4.0

standort

[ standortagentur ] : [ erneuerbare energien ] [ informationstechnologien ] [ life sciences ] [ mechatronik ] [ wellness ] : [ forschung ] [ wirtschaft ]

Erneuerbare Energien

Seite 3

[ Thema: Impressum ]

STANDORT. Aktuelle Nachrichten

der Standortagentur Tirol und ihrer

Clusterinitiativen. Ausgabe 04|14

Herausgeber: Standortagentur Tirol,

Ing.-Etzel-Straße 17, 6020 Innsbruck

Verleger: ECHOZeitschriften- u. Verlags

GmbH | Redaktion: Andreas Hauser,

Hugo Huber | Fotos: Andreas Friedle|

Layout: Thomas Binder, Armin Muigg |

Druck: Alpina

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Nr. 23 | Jg. 06

aktuelle nachrichten der STANDORTAGENTUR TIROL

Für Harald Gohm ist das EU-Projekt Sinfo-

nia eines, das Dimensionen sprengt

Die Rauchmühle analysiert Energie-Einspa-

rungs-Maßnahmen im Produktionsprozess

Laserdata sorgt mit der Berechnung von

Fassadensolarpotenzialen für Aufsehen

Mechatronik

Seite 4

Rund 2,3 Millionen Euro hat Micado in den

neuen Osttiroler Firmensitz investiert

Mit dem „Dendrite Generator“ erzeugen

heimische Forscher naturidenten Kunstschnee

Informationstechnologie

Seite 5

freeBIM-Tirol soll einer digitalen Bauplan-

Methode zum Durchbruch verhelfen

Die PDAgroup leitet eine europäische

Online-Job- und Weiterbildungsplattform

Wellness

Seite 6

Die TirolerWellnessHotels setzen auf ge-

meinsame Angebots- und Qualitätsentwicklung

Das Therapie-Bett von Schlafweise kann

auch für Klangtherapie genutzt werden

Life Sciences

Seite 7

Oncotyrol konzentriert seine Forschungs-

arbeit auf das Multiple Myelom

Tiroler Forscher testen mit eigenen Mess-

geräten Luftschadstoffe für die NASA

Fabrik der Zukunft

[ Pilotfabrik für Industrie 4.0 ]

I

m kommenden Jahr wird eine von Bundesministerium für Verkehr, Innova-

tion und Technologie (bmvit) und TU Wien gemeinsam errichtete Pilot-

fabrik für Industrie 4.0 ihren Betrieb aufnehmen. Die Pilotfabrik soll wie ihr

Vorbild im deutschen Chemnitz der praxisnahen Erprobung und Umsetzung

von Prototypen, von neuen Produkten und Produktionsprozessen dienen.

Weiters wird die Vernetzung einzelner Werkstücke und Anlagen sowie die

automatisierte Kommunikation zwischen Lieferanten, Kunden und Fabriken

erprobt. Für Technologieminister Alois Stöger sind Produktionstechnolo-

gien in der Forschung und Entwicklungs-Förderung „deswegen so wichtig,

weil Österreich ein Industrieland ist und wir nur durch ständige Weiterentwicklung, durch neue Technologien und Innovation die

Produktion im Land sichern und neue Arbeitsplätze schaffen können“. Die insgesamt rund vier Millionen Euro, die bmvit und TU

Wien in das Projekt investieren, werden in den ersten drei Jahren die Anfangsinvestitionen und die Forschungsvorhaben bedecken.

Danach soll ein Teil der Kosten von Unternehmen getragen werden. Zehn heimische Betriebe haben bereits Interesse bekundet,

sich an der Pilotfabrik zu beteiligen, darunter KBA Mödling, Becom Electronics, SAG Salzburg Aluminium Gruppe, SAP Österreich,

Schäffler und Siemens Austria – die Pilotfabrik steht aber durchaus noch weiteren heimischen und Tiroler Unternehmen offen.

Top-Förderung

S

eit 2011 investiert hier die Tiroler

Adlerrunde als privater Kapitalgeber

in junge Unternehmen, durch eine enge

Zusammenarbeit mit der Standortagen-

tur Tirol soll die Schlagzahl der Beteili-

gungen weiter erhöht werden. Bisher

nahm die Standortagentur Tirol Bewer-

bungen für das Beteiligungskapital der Ad-

lerrunde entgegen und erstellte für diese

eine erste Einschätzung der Projekte.

Nun wird sie aussichtsreiche Projekte

mit den betreffenden Gründern bis zur

Investmentreife begleiten. Die Adlerrun-

de hat Beteiligungskapital in Höhe von

520.000 Euro für Investitionen reserviert,

zusätzlich besteht die Möglichkeit der

direkten Beteiligung von Unternehmern

der Adlerrunde am jeweiligen Start-up.

D

ie Sprache ist

das Schatz-

kästchen unserer

Kultur. Selbst

wenn sie noch so

pfiffig, neu und

modern daherzu-

kommen scheint,

lässt sie doch aus

all ihren Elementen eine lange Ge-

schichte und Entwicklungen durchschei-

nen, denen nachzuforschen mitunter

spannender als ein Krimi ist. Wenn Sie

etwa verfolgen wollen, wie sich aus dem

lateinischen Wort für Schwein (porcus)

über durchaus obszöne Zwischenstu-

fen unser Ausdruck für feines Geschirr

(Porzellan) gebildet hat, müssen Sie in

der Kulturgeschichte mehrerer Jahrhun-

derte firm sein. Auch der beim Tiroler

Innovationstag 2014 im Mittelpunkt

stehende Begriff smart hat es in sich:

Hand aufs Herz, geneigter Leser, hätten

Sie gedacht, dass er etymologisch mit

unserem Wort Schmerzen zusammen-

hängt (vgl. niederländisch smarten)? Um

1300 wurde smart besonders gerne in

Zusammenhang mit den Worten Witz,

Geist, Verstand verwendet und mein-

te etwa schneidender Verstand oder

bissiger Witz (vgl. lateinisch mordere).

Von dort war es nicht mehr weit zu der

uns heute geläufigen Bedeutung. Denn

wir verstehen unter smart ja gemeinhin

pfiffig, clever, gerissen, wobei zwischen

der Verwendung in Deutschland und

Österreich zu unterscheiden ist: Steht

bei unseren deutschen Nachbarn die

Gerissenheit im Vordergrund, schwingt

in Österreich eher die Nuance elegant

oder fein mit. „Dann ist smart economy

also eigentlich eine schmerzende Wirt-

schaft?“ könnten Sie jetzt fragen und ein

erstauntes „Krass!“ nachschieben, wobei

Sie wahrscheinlich auch nicht an die

crassa ignorantia (dicke Unwissenheit)

des lateinischen Mittelalters denken...

Smart von

Schmerzen

Gastkommentar

Dr. Florian Schaffenrath

Ludwig Boltzmann Institut

für Neulateinische Studien

Top-Quote

E

ine aktuelle Auswertung der EU-

Projektförderungen zeigt, dass Ös-

terreichs Forscher im ausgelaufenen 7.

EU-Forschungsrahmenprogramm (Lauf-

zeit 2007–2013) mit rund 101 Euro

pro Kopf (gemessen an der Einwoh-

nerzahl) den sehr guten sechsten Platz

im EU-Ranking erzielen konnten. Zum

Vergleich: Österreichs Beitrag belief sich

auf rund 77,40 Euro pro Kopf. Ös-

terreich lukrierte damit deutlich mehr

an Förderungen – rund eine Milliarde

Euro –, als es zum Budget beigetragen

hat, und ist somit Netto-Empfänger.

3180 Projektbeteiligungen und 350

von heimischen Forschern koordinierte

Projekte belegen den großen Erfolg der

österreichischen Teilnahme.

Foto: Fraunhofer Institut

Foto: F. Schaffenrath

Birgit Vogel-Heuser, TU München: „Es gibt heute viel, viel mehr Informationen und

damit muss man lernen umzugehen – auch mit neuen Geschäftsmodellen.“

Die digitale Leitzentrale einer Fabrik der Zukunft.

Foto: Elene Hegerich