Standort Sonderausgabe 20 Jahre Standortagentur Tirol

STANDORT 0118 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 2 1 auch eigentümergeführt. Lebt der Eigentümer eine Innovationskultur vor, können sie auch sehr rasch agieren“, sagt Hutter, die nach Studium und Post-Doc- Zeit in Innsbruck und einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University sowohl an der Uni Innsbruck (Innovation und Entrepreneurship) als auch an der Uni Salzburg (Marketing und Innovation) lehrt und forscht. Das sei der entscheidende Knackpunkt, denn, so Hutter, „große etablierte Unternehmen sind nie besonders wendig. Bis eine Innovation in Schwung kommt, ist es meist eh zu spät.“ Das Streben nach Neuem und das Umsetzen innova- tiver Ideen verfolgte der gelernte Fahrzeugbauer Bau- er schon vor seinem Gang in die Selbstständigkeit. Mit einem Partner nahm er insgesamt dreimal an adven- ture X, dem Gründerwettbewerb der Standortagentur Tirol, teil. Natürlich ging es um Fahrzeuge: „Die Idee war, Quads so aufzurüsten, dass sie auch als kleine Ar- beitsmaschine eingesetzt werden können.“ 2006, nach seinem Studium der Verfahrens- und Umwelttechnik amMCI, gründete Bauer seinen eigenen Fahrzeughan- del Mattro, spezialisiert auf kleine Geländefahrzeuge. Im Gespräch mit alpinen Kunden – Hüttenwirte, Bergbahnen etc. – stellte er fest, dass Nachfrage nach einem nicht vorhandenen Gefährt bestand: sowohl winter- als auch sommertauglich, geländegängig und als Transporter einsetzbar. Motivation genug, um ge- nau an so einem Konzept zu arbeiten. Zwei Jahre lang widmete sich Mattro dem Projekt „Entwicklung eines Sondernutzfahrzeuges mit Rädern und Raupen“. Mit seinem Enthusiasmus konnte der Tiroler die Hoch- schule München für eine Vorstudie begeistern, ein Fahrzeugkonzept wurde am Papier entworfen, erste Konstruktionsarbeiten durchgeführt sowie Fragen der Raumaufteilung und der Technik diskutiert. Mit einer Initiativförderung der Standortagentur Tirol ging es ei- nen Schritt weiter, Alois Bauer suchte Partner für sein innovatives Fahrzeugprojekt. Rund 50 Firmenbesuche und 20.000 gefahrene Kilometer später hatte sich ein Konsortium aus mehreren EU-Ländern gebildet, Bau- er – inzwischen Mitglied des Clusters Mechatronik Ti- rol – fand mit der europäischen Förderberatung in der Standortagentur Tirol einen weiteren Unterstützer. Das Ergebnis war HYCAT, in dem 1,3 Millionen schwe- ren EU-Projekt aus dem Programm ERA-SME arbei- teten acht spezialisierte Partner an einem „Steinbock auf vier Rädern.“ „Im Vergleich zum Tanker Großunternehmen sind KMUs oft ein Speedboot, doch mit einem Speedboot allein ist es auch nicht einfach. Es braucht eine Flotte von Speedbooten“, bricht Katja Hutter eine Lanze für die Vernetzung von KMUs und Start-ups. „Man schließt sich in einem sogenannten Innovationsökosystem zu- sammen und tauscht sich – Stichwort Open Innovati- on – aus, um gemeinsam an Projekten zu arbeiten.“ Auch Richard Piock, von 1986 bis 2013 CEO der Durst Phototechnik und aktuell Geschäftsführer der Lienzer INNOS GmbH, sieht in dieser Vernetzung Potenzial: „Besonders KMUs haben ohne zwischenbetriebliche Kooperationen und enge Zusammenarbeit mit wissen- schaftlichen Institutionen kaum Chancen zu bestehen. Deshalb ist es besonders für KMUs so wichtig, die rich- tigen Partner zu finden: Universitäten, Forschungsein- richtungen oder Innovationsagenturen, die praxisnah technisches Neuland wissenschaftlich fundiert aufbe- reiten.“ Am Ende von HYCAT stand der Steinbock HX. Das über vier Radnaben angetriebene Geländefahrzeug mit wechselbarer Rad- oder Raupenausstattung wur- de 2011 am Innovationstag der Standortagentur Tirol präsentiert – und Alois Bauer war endgültig elektri- fiziert. „Während des Projekts hat sich gezeigt, dass unser Konzept mit einem klassischen Allrad nicht umsetzbar ist“, erklärt er. Die Lösung war ein Hybrid: Ein Verbrennungsmotor als Energiequelle liefert den Strom für vier einzeln steuerbare elektrische Radna- benmotoren. Der Steinbock blieb ein Prototyp („Lei- der zog sich ein Partner aus dem Projekt zurück.“), für Mattro öffnete er den Weg in enerChange, ein Projekt aus dem K-Regio-Förderprogramm des Landes Tirol. Der Job der Mattro-Mannschaft in dem E-Mobility- Vorhaben war die Entwicklung eines Akkumoduls und das Design von unterschiedlichen Antriebssets für ver- schiedene Fahrzeugklassen. Eines dieser Sets wollte das elektromotor-begeisterte Team in der Praxis testen – der Ziesel war geboren. „Unser Weg war jenseits jeglichen Businessplans“, lacht Bauer, „das ist auch schwierig für ein Produkt abseits der Norm.“ Landwirtschaft und Tourismus sind zwei Einsatzgebiete des flinken Elektro-Ziesels, einen gro­ ßen Kundenbereich hat sich Mattro unter Rollstuhl- fahrern erarbeitet. Leicht war der Weg nicht. Aus dem Handelsunternehmen Mattro war 2011 das Ingenieur- büro Mattro Mobility Revolutions geworden, für den Aufbau der hauseigenen Ziesel-Erzeugung war die Mattro Production gegründet worden. Das notwen- dige Geld dazu fand Bauer – nach Kontaktvermittlung durch die Standortagentur Tirol – über einen Investor, der Arlberger Seilbahner Mario Stedile Foradori betei- ligte sich am Unternehmen. Die Suche nach Investoren für Start-ups und innova- tive Unternehmen wurde in den letzten Jahren immer wichtiger. Das Land Tirol initiierte deshalb 2012 das Investorennetzwerk Tirol, seit 2015 wird es von der Standortagentur Tirol gemanagt. Bei 52 betreuten Projekten konnten seither zwölf Investments mit einer Gesamtsumme von acht Millionen Euro abgeschlossen werden. Eines davon war Cubile Health: Das Tiroler Medtech-Unternehmen entwickelte ein In-Bett-Moni- toring-System, mit dem neben der Atem- und Herzfre- quenz auch Parameter zur Sturz- und Dekubituspro- phylaxe aufgezeichnet werden können. Das System überzeugte nicht nur die Schweizer Martin Global AG, die 2017 mit einer sechsstelligen Summe einstieg(CEO Peter Koch: „Bei Cubile hat sich einmal mehr gezeigt, „Die Forschung und damit die enge Zusammenarbeit mit der Wissenschaft ist Kernkompetenz von Bionori- ca und eine wesentliche Säule für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. In Tirol finden wir alles vor, was wir hierfür brauchen – und das auf Weltniveau. Innsbruck ist daher für uns mittlerweile das wichtigste Forschungszentrum außerhalb Deutschlands. Das zeigt sich durch den stetigen Ausbau der Bionorica research GmbH, bezieht sich aber auch auf die ausgezeichne- te Kooperation mit den Universitäten am Standort. Zu nennen wären hier das ADSI (Austrian Drug Screening Institute) sowie das von mir im Oktober 2017 zusam- men mit dem Land Tirol an der Universität Innsbruck gegründete Michael-Popp-Institut für pflanzliche Wirk- stoffforschung. Wir bauen damit weiter an dieser welt- weit einzigartigen Wissens-Konzentration für pflanzliche Wirkstoffforschung, dem Phytovalley.“ – Michael A. Popp, Vorstandsvorsitzender und Inhaber Bionorica SE „Mit der Eröffnung unseres Innovationszentrums im Jahre 2017 bündelten wir als Joint Venture mit der deutschen VAHLE-Gruppe die Kompetenzen und begründeten da- mit das internationale Headquarter für Automation in Schwoich bei Kufstein. Seither zeichnen wir mit stetig wachsendem Mitarbeiterstand für die Produktentwick- lungen und Innovationen im Bereich weltweit erfolg- reicher Antriebs- und Steuerungssysteme verantwortlich. Unsere neue Demofabrik als Herzstück des Zentrums steht einerseits für Schulungen des Fachpersonals zur Verfügung, steht aber auch bei Produktvorführungen bei Kunden aus aller Welt im Mittelpunkt. Das neue VAHLE-Kompetenzzentrum verbindet damit auf einzig- artige Weise die Segmente Forschung, Technologie und Innovation und wird in seinem Entwicklungsgeist auch von vielen bestens ausgebildeten Experten am Standort getragen.“ – Alfred della Torre, Geschäftsführer VAHLE Automation GmbH „Durch intensive Forschungs- und Innovationsarbeit entwickelt das Innsbrucker Unternehmen GeoVille ständig neue Anwendungen im Bereich der satelliten- basierten Erdbeobachtung. Unter anderem werden derzeit flächendeckende Umweltinformationsprodukte für 39 europäische Länder im Rahmen des Copernicus-Programms der EU erstellt. Ziel ist es, aktuelle Erkennt- nisse über räumliche Umweltveränderungen zu gewin- nen und Behörden wichtige Entscheidungsgrundlagen zu liefern. Durch diese Aktivitäten sichert das Unterneh- men derzeit 80 Arbeitsplätze am Standort Tirol.“ – Andreas Walli, Commercial Director GeoVille

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