Standort Sonderausgabe 20 Jahre Standortagentur Tirol

3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 2 1 0118 STANDORT welche Innovationskraft in Start-ups steckt.“), sondern auch die Tiroler Medalp-Geschäftsführer Alois Schranz und Manfred Lener. „Innovation muss aber nicht zwingend mit einem großen Budget zusammenhängen“, betont in diesem Kontext Katja Hutter, „heutzutage gibt es mit Kommu- nikations- und Innovationstechniken unzählige Mög- lichkeiten, wie man Innovation vorantreiben kann.“ Die Expertin empfiehlt etwa, Mitarbeiter für kurze Zeit in Innovation-Labs „Innovation lernen“ zu lassen: „Hier lernen Mitarbeiter nicht in Form von Seminaren oder Kursen, wie man vorgehen sollte bzw. könnte, sondern indem sie selbst an ihren eigenen Innovationsprojekten arbeiten. Zudem haben sie Experten und Coaches zur Unterstützung dabei – quasi Learning by Doing. Zum Abschluss präsentieren sie ihren Prototypen und pit- chen diesen oftmals vor dem Top-Management.“ Ein anderer Weg ist die Optimierung von unternehmens­ internen Prozessen, mit IMP 3 rove hat die Standortagen- tur Tirol ein Online-Tool im Portfolio, um gemeinsam mit Unternehmen deren Innovationsstrategie, -orga- nisation, -kultur sowie -prozesse auszuwerten und da- raus Optimierungen abzuleiten. Optimierungen, die für die Entwicklung eines Unternehmens maßgeblich sein können, wie Richard Piock festhält: „War früher die Unternehmensgröße und die dadurch mögliche Kostendegression Grundlage des Erfolgs, sind es heute Innovationen. Innovationen, ob Produkt- oder Prozess- Innovationen als praktische Umsetzung digitaler Tech- nologien, sind ebenso wie die Schnelligkeit im Umset- zen der eigenen Strategie conditio sine qua non.“ Für die Umsetzung und Stärkung der betrieblichen In- novationskultur sorgt das im Jahr 2006 von der Stand- ortagentur Tirol gelaunchte Programm Innovationsas- sisentIn, heute Teil der Tiroler Innovationsförderung. Seit 2006 unterstützten 140 innovative Helfer hei- mische Unternehmen dabei, ihre Ideen umzusetzen. Auch Alois Bauer nutzte diese Möglichkeit, zwischen 2011 und 2013 war sein Innovationsassistent maßgeb- lich an enerChange und der Umsetzung des Ziesel- Projekts beteiligt. „Diese Förderungen, ob regionale, nationale über die FFG und die aws sowie internati- onale hat es gebraucht“, meint Bauer heute. Sehr ge- holfen hat ihm auch ein TV-Auftritt des Ziesels im Jahr 2014, als sich Stefan Raab vor Millionen auf einem Ziesel nicht schlagen ließ. „Das war ein Riesenhype und gut für den Bekanntheitsgrad“, ist Bauer über- zeugt. Die Entwicklungsarbeit ist dem Mattro-Team seither nicht ausgegangen. Eine Novelle der europä- ischen Fahrzeugnorm im Jahr 2015 machte den Weg frei, den Ziesel auf die Straße zu bringen. Mit seiner Joystick-Steuerung, die zu 100 Prozent digital ist, „eine Herausforderung und ein ziemliches Procedere“. Die vierte Ziesel-Generation ist seit Anfang 2017 für den Straßenverkehr zugelassen, die Höchstgeschwindig- keit des 350-Kilogramm-Gefährts liegt bei 30 km/h. Etwas liegen geblieben ist daher die Entwicklung des „Ardenner“. 2015 – wieder auf der Interalpin – wur- de der Prototyp vorgestellt. Logischerweise elektroge- trieben soll das neuartige Arbeits- und Freizeitgefährt eine Alternative zum Motorschlitten werden und – da mit Raupen ausgestattet – auch im Sommer einsetz- bar sein. Vorangetrieben wird die Entwicklung nun in dem COMET-Projekt WoodCAR. Ein Konsortium aus Forschern und Unternehmern aus der Steiermark und Tirol wollen Grundlagen schaffen, um Holz als Leichtbaumaterial im Fahrzeugbau einzusetzen. „Ein Usecase ist der Ardenner. Für unsere geplante Bau- weise wären Stahl oder Aluminium zu schwer, Karbon geht sich wirtschaftlich nicht aus. Nun arbeiten wir an einem tragenden Chassis in Holzverbundbauweise“, berichtet der Fahrzeugentwickler. In der Zwischenzeit verlassen – auf Vorbestellung – vier Ziesel pro Woche die Produktionshalle in Schwaz, knapp 50 Prozent gehen direkt in die Schweiz. „Die Vertriebsrechte für den Ziesel, der in der Landwirt- schaft eingesetzt wird, haben wir an Aebi Schmidt verkauft“, erklärt Bauer. Teilweise wird auch nur ein Chassis mit Raupenantrieb produziert, die „Bock“ genannte Plattform geht an Partner wie Pixelrunner in Oberösterreich. Das Start-up nutzt den Ziesel-Un- tersatz für seine innovativen Landschaftsdrucker, die automatisiert große Werbeflächen auf Wiesen, Stra- ßen und anderem Untergrund platzieren. „Gut läuft auch der Vertrieb der Akkus, die wir für enerChange entwickelt haben“, berichtet Bauer, „zudem beliefern wir Projekte mit unseren Antriebssets.“ Aufgrund der Erfahrung sei man auch an einigen Projekten betei­ ligt und als Dienstleister für 2018 gut ausgelastet, zum Beispiel mit der Entwicklung eines Batteriesystems für 3 FRAGEN an Günther Platter Tiroler Landeshauptmann 1. 2. 3. Herr Landeshauptmann, was zeichnet den Innovationsstand­ ort Tirol aus? Welche Ziele verfolgt der Lebensraum Tirol 4.0 im Bereich Technologie? Im Herbst 2017 wurde die Initiative „digital.tirol“ be­ schlossen. Wie soll die Digi­ talisierung in Tirol umgesetzt werden? Tiroler Unternehmen gelingt es immer erfolg- reicher, neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen. Starke Partner sind die Tiroler Hochschulen. Mit einer For- schungsquote von 3,14 Prozent übertreffen wir schon heute den Wert, den die EU für das Jahr 2020 vorgegeben hat. Die Tiroler Unterneh- men investieren jährlich 619 Millionen Euro in die Forschung, die Forschungsausgaben lie- gen in Tirol bei knapp einer Milliarde Euro. Es ist mir wichtig, dass wir zentral alle Aktivi- täten bündeln, um Doppelgleisigkeiten zu ver- hindern. Bei der Digitalisierung gibt es eine Vielzahl an Initiativen und Förderungen, so- wohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Mit der Plattform digital.tirol wollen wir eine einfache Anlaufstelle und Übersicht für die Unternehmerinnen und Unternehmer bieten. Von 2018 bis 2022 stellen wir 100 Millionen Euro für die Digitalisierungsoffensive zur Ver- fügung. Einerseits für den Breitbandausbau, andererseits für Projekte. Wir starten zunächst vielfältige Landesinitiativen, um der Tiroler Bevölkerung, aber auch den Unternehmen be- stehende Ängste zu nehmen und Chancen auf- zuzeigen. Ein umfassendes Förderungsange- bot soll die Unternehmen bei der Einführung digitaler Technologien unterstützen. „Auch im Tourismus werden die Wege der Digitalisie- rung wesentlich durch den Innovationsgehalt und die -geschwindigkeit geprägt. Es liegt an uns, immer am Ball zu bleiben und die neusten Trends und Schwer- punktthemen zu integrieren. Hierfür können wir in Tirol – auch dank der guten Anbindung über die Standort- agentur – auf ein tolles Netzwerk zurückgreifen. U.a. arbeiten wir mit der Universität Innsbruck zusammen und bauen unsere Leistungen auf den Forschungsergeb- nissen auf. “ – Eva-Maria Hänel, Geschäftsführerin SPEED U UP GmbH E-Baumaschinen. Rund 30 Mitarbeiter beschäftigt der Unternehmer im Ingenieurbüro und in der Produk- tion, „wir waren auch schon mehr, haben aber in der Zwischenzeit den eigenen Vertrieb reduziert“, erklärt Bauer den Mattro-Fokus auf Forschung und Entwick- lung. Ein „Trial and Error“, das in Österreich nicht so gelebt werde, meint Katja Hutter: „Es muss nicht alles zu 120 Prozent perfekt sein, bevor man sich mit einem inno- vativen Projekt nach außen wagt.“ In ihrer Zeit in den USA hat die Wirtschaftsprofessorin festgestellt, „dass uns die Amerikaner in diesem Bereich weit voraus sind, dort hat man viel mehr Mut, Dinge auszuprobie- ren und das erworbene Wissen neu anzuwenden.“ Viel wäre für die Wissenschaftlerin schon erreicht, „wenn wir diesen Mut zum Ausprobieren fassen würden“. Einen Mut, den Alois Bauer gezeigt hat. Das Know- how in Sachen Elektromobilität, welches das Mattro- Team in den Jahren aufgebaut hat, kommt dem E- Fahrzeugprofi nun zugute. „Wir helfen, Produkte auf den Markt zu bringen“, berichtet Bauer. Ein immenser Vorteil dafür sei auch, dass man mit dem Ziesel gezeigt habe, einen Prototypen in ein zertifiziertes Serienpro- dukt überzuführen: „Da rentiert es sich, ein Vorreiter gewesen zu sein.“

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYxMDA3