3 2 1
4 5 6
7
8
0118
STANDORT
R
ückblickend können wir
sagen: Wir haben das flott
zusammengebracht“,
sagt
Johannes Holfeld, „und das, obwohl
wir ein kleines Unternehmen mit
limitierter Zeit und limitierten Res-
sourcen sind.“ Ein kleines Team, das
in zweieinhalb Jahren vier „unglaub-
lich schwierige Meilensteine“ auf dem
Weg zu einer innovativen Stoßwellen-
therapie von geschädigtem Herzmus-
kelgewebe hinter sich gebracht hat
und jetzt, so Holfeld, „unmittelbar vor
unserem großen Ziel, dem Start einer
klinischen Studie steht.“
Im Jahr 2015 machte der Herzchi-
rurg Holfeld bei mehreren Wettbe-
werben (adventure X, Cluster Award,
Best of Biotech) auf sich aufmerksam,
dazu kamen noch wissenschaftliche
Auszeichnungen und Publikationen,
in denen er die Sicherheit und Mach-
barkeit der Stoßwellentherapie be-
legte, „zudem konnten wir in unseren
experimentellen Studien aufklären,
wie sie funktioniert.“ Nach einem
Herzinfarkt sind die Gewebeareale
rund um die Infarktnarbe chronisch
unterversorgt und können ihre Funk-
tion nicht mehr zur Gänze erfüllen –
die Leistungsfähigkeit der Patienten
sinkt drastisch. Holfeld stimuliert
mit einem eigens entwickelten Stoß-
wellenkopf während einer Herz-By-
pass-Operation das offene Herz mit
Stoßwellen, die „unendlich beeindru-
ckenden Effekte“ konnte er im Zell-
kultur- und Tiermodell sowie in einer
klinischen Studie an zehn Patienten
beobachten. Um seine Idee weiter-
zuverfolgen, benötigten Holfeld und
sein Unternehmen Heart Regenerati-
on Technologies GmbH Kapital, mit
dem Südtiroler Harald Oberrauch
fand er einen Leadinvestor, dazu ka-
men noch drei kleinere Förderer
(Meilenstein 1). Die seit einem Jahr
tätige Geschäftsführerin Pinar Kilic-
kiran kümmerte sich um die notwen-
dige ISO-13485-Zertifizierung, damit,
so Kilickiran, „wir Medizinprodukte
herstellen und in Verkehr bringen
können“ – Meilenstein 2 wurde im
Dezember 2017 abgehakt.
„2015 hatten wir einen einsatzfä-
higen Prototyp, aus dem wir ein seri-
enreifes Produkt machen mussten“,
blickt Holfeld zurück. Im Vorarlber-
ger Unternehmen A.M.I. fand sich ein
passender Partner, im April verließen
die ersten neuen Stoßwellenköpfe das
Werk (Meilenstein 3). Zum Einsatz
kommen werden sie ab Herbst, eine
Studie mit 100 Patienten steht in den
Startlöchern (Meilenstein 4).
„In dieser Studie wollen wir zeigen,
dass unsere Therapie sicher und der
Standardtherapie überlegen ist“, er-
klärt Holfeld. Ist sie das – Holfeld
rechnet mit zwei Jahren Studiendau-
er – hat er ein fertiges marktfähiges
Produkt in Händen. „Dann soll eine
große, multizentrische post-market
study in Kooperation mit einem der
großen internationalen Medizinpro-
dukteherstellern stattfinden.“ Vor-
verhandlungen zu diesem nächsten
Meilenstein laufen bereits. Mehr Info:
www.heart-regeneration.com]
Johannes Holfeld, Pinar Kilickiran: „Vorverhandlungen zur post-market study laufen.“
Foto:Andreas Friedle
Herzliche Meilensteine
Investorensuche, ISO-Zertifizierung, Stoßwellenkopf-Produktion und Konzeption
einer Studie – das Start-up HeaRT blickt auf erfolgreiche zwei Jahre zurück.
Geprüfte Qualität in der Gelenkschirurgie
Als erste KlinikWestösterreichs wurde die Innsbrucker Uniklinik für Orthopädie unter der Leitung
von Martin Krismer zum EndoProthetikZentrum der Maximalversorgung (EPZmax) zertifiziert. Mit diesem
Prüfsiegel ist ein Höchstmaß an Qualität für Patientinnen und Patienten der Gelenkersatzchirurgie garantiert.
An der Uniklinik für Orthopädie werden jährlich 850 Hüft- und Knieendoprothesen durchgeführt, davon 250
Austauschoperationen. Österreichweit werden pro Jahr rund 30.000 künstliche Knie- und Hüftgelenke operiert.
SCIENCE
Mehr Top-Betriebe aus dem
Cluster Life Sciences Tirol finden Sie
aufwww.standort-tirol.at/mitgliederMehr Info
[
]
FAKTEN. NEWS.
[ Thema: Life Science ]
Der Humangenetiker
Andreas Janecke wurde im
März mit dem Liechten-
steinpreis ausgezeichnet. In
seinen Forschungsarbeiten
konnte der Mitarbeiter der
Innsbrucker Uniklinik für Pädiatrie I drei
Genmutationen identifizieren, die jeweils
Auslöser für die Kongenitale Natriumver-
lust-Diarrhö bzw. die Mikrovilli Einschluss
erkrankung – zwei sehr seltene angebore-
ne, monogene Durchfallerkrankungen bei
Säuglingen – sind. Die Erkenntnisse liefern
einen wichtigen Beitrag zur besseren
Charakterisierung dieser seltenen
monogenen Erkrankungen.
Der Innsbrucker
Neurowissenschaftler Kai
Kummer ist an der
Medizinischen Universität
Innsbruck mit dem
Weiss-Preis 2017 geehrt
worden. Die von der Weiss-Wissenschafts-
stiftung verliehene Auszeichnung wird vom
Wissenschaftsfonds (FWF) seit 2014
abgewickelt. Das mit insgesamt knapp
400.000 € geförderte Projekt wird die
Rolle des Neurotransmitters Acetylcholin
im medialen präfrontalen Kortex während
der Chronifizierung von Schmerz
untersuchen.
Foto:MUI
Foto:MUI/F.Lechner
Thema: [ LIFE SCIENCES TIROL ]
E
isen, genauer gesagt der Eisen-
stoffwechsel, beschäftigt Gün-
ther Weiss schon seit mehr als
25 Jahren. „Uns interessiert, welche
Rolle er bei der Immunantwort spielt
und welche bei der Wechselwirkung
von Mensch und Mikrobe“, erläutert
der Direktor der Uniklinik für Innere
Medizin II an der Medizinuni Inns
bruck und erklärt auch warum: „Ei-
sen ist ein zentraler Faktor für Stoff-
wechselprozesse: für die Zellatmung,
die Zellvermehrung, die Energiege-
winnung… Jede Zelle braucht Eisen.“
Kein Wunder also, dass eine Störung
des Eisenstoffwechsels Auswirkungen
auf den menschlichen Organismus
hat – auf die kardiovaskuläre Lei-
stungsfähigkeit, auf Wachstum und
geistige Entwicklung bei Kindern
oder auf die Lebensqualität.
Doch Eisenmangel ist nicht Eisen-
mangel, „passiert“ er durch Eisenver-
lust infolge von Blutungen, spricht
man von einer Eisenmangelanämie.
Er kann aber auch Folge einer län-
ger bestehenden Entzündungsreak-
tion sein, die sogenannte Anämie
bei chronischer Erkrankung (ACD).
„Bei Patienten mit Infektionen wie
HIV, mit Autoimmunerkrankungen
oder Tumoren kommt es zu Verän-
derungen des Eisenstoffwechsels“,
weiß der Mediziner. Eine Schutzfunk-
tion des Körpers, die sozusagen nach
hinten losgeht. Weiss: „Der Körper
versucht, Eisen vor den für eine In-
fektion verantwortlichen Mikroben
zu verstecken und speichert es in
Immunzellen.“ Der Versuch, den Mi-
kroben das für sie notwendige Eisen
vorzuenthalten, führt aber auch dazu,
dass kein Eisen mehr für die Blutbil-
dung zur Verfügung steht. „Wir wissen
inzwischen, dass in tropischen Gebie-
ten Eisenmangel vor Malaria schützt“,
sagt Weiss, „wenn wir nun therapeu-
tisch mehr Eisen von außen zuführen,
füttern wir sozusagen den Krankheits-
erreger.“ Eine Therapie mit Kollate-
ralschaden, auch weil, so Weiss, „in
der Diagnose die Unterscheidung zwi-
schen Eisenmangelanämie und ACD
noch nicht in aller Munde ist.“ Daher
will Weiss mit seinem Team im Chri-
stian-Doppler-Labor ein Tool bzw. Bio
marker entwickeln, um die Diagnose
zu erleichtern.
„Ebenso wollen wir Therapien mit
oraler oder intravenöser Eisenzufuhr
vergleichen, auch weil man noch re-
lativ wenig über die Pharmakokine-
tik bei ACD weiß: Wie wird das Eisen
im Körper genau aufgenommen?
Kommt es auch dorthin, wo wir es
haben wollen“, beschreibt Weiss ei-
nen zweiten Forschungsansatz. Ein
weiterer Arbeitsschwerpunkt soll „die
komplexe Interaktion von Eisenstoff-
wechsel, Infektion und Immunität“
näher betrachten, „à la longue natür-
lich mit dem Ziel, besser zu therapie-
ren. Denn in erster Linie sind wir Kli-
niker und haben mit vielen Patienten
mit einer Störung des Eisenstoffwech-
sel zu tun.“ Allein in Österreich sind
es rund eine Million. ]
[ konkret GESEHEN ]
Afamin als Frühwarnsystem?
M
it Afamin beschäftigen sich die
zwei Wissenschaftler Hans
Dieplinger und Florian Kronenberg
seit einer Zeit, in der sie noch nicht
einmal wussten, dass sie sich mit
diesem Protein beschäftigen. „Wir
dachten, dass es sich um ein an-
deres Protein handelt“, erinnert sich
Kronenberg. Speziell Dieplinger ließ
das 1994 erstmals beschriebene
Protein nicht mehr los, besonders als
sich herausstellte, dass eine expe-
rimentelle Zufuhr von Afamin bei
Nervenzellen zu einer signifikanten
Lebensverlängerung führt. Afamin als
Therapiegrundlage für neurodegene-
rative Erkrankungen wie Alzheimer
oder Parkinson? „Diese Annahme
hat leider nicht gehalten“, sagt Diep
linger heute.
Doch seine intensive Beschäfti-
gung mit Afamin zeigte imTiermo-
dell andere Signale – zu viel Afamin
führt zu erhöhten Blutzucker- und
Fettwerten und zu Gewichtszunah-
me. „Daher vermuteten wir, dass
Afamin mit Diabetes und dem meta-
bolischen Syndrom zu tun haben
könnte“, erklärt Dieplinger. Aber was
sagt das Tiermodell über den Men-
schen aus? Dieplinger wandte sich
an Kronenberg, für diesen war klar:
„Wenn wir einen Zusammenhang
untersuchen wollen, dann mit einer
großen Fallzahl.“ Der Genetische
Epidemiologe hat Zugang zu großen
Kohorten-Studien, für den Zusam-
menhang zwischen Diabetes und
Afamin griff er auf acht Studien mit
20.000 Menschen zu. „Wir konnten
nicht nur zeigen, dass Diabetiker
einen hohen Afamin-Spiegel ha-
ben, sondern auch, dass Menschen
mit erhöhtem Afamin-Spiegel ein
erhöhtes Risiko haben, im Laufe
der Zeit Diabetes zu entwickeln“,
berichtet Kronenberg, ähnliches gilt
das Metabolische Syndrom (Fallzahl
5.000). Ob Afamin ein Risikofaktor
oder ein Risikomarker ist, sollen
weitere Untersuchungen klären.
Helfen kann dabei ein anderes Er-
gebnis aus Dieplingers Arbeitsgrup-
pe an der Sektion für Genetische
Epidemiologie der Meduni Innsbruck
– Andreas Naschberger konnte
die Struktur von Afamin aufklären.
Dieplinger: „Wir kennen die Me-
chanismen von Afamin noch nicht,
die Struktur ist ein erster Schritt. Sie
zeigt, wie bzw. wo gewisse Substan-
zen daran binden können.“
„Mit jeder Tür, die man öffnet, tun sich drei neue Fragen auf“, sagt der Mediziner Günter Weiss. Seine „Tür“
ist der Eisenstoffwechsel, Antworten auf neue Fragen will er in einem neuen Christian-Doppler-Labor finden.
Ein heißes Eisen im Labor
Hans Dieplinger, Florian Kronenberg
(v.li.): Jahrelange Arbeit mit Afamin.
Foto:Andreas Friedle
Christian-Doppler-Labors
werden
an Unis oder außeruniversitären
Forschungsinstitutionen für maxi-
mal sieben Jahre eingerichtet. Die
Kosten für das Vorhaben teilen
sich zu je 50 Prozent das Ministe-
rium für Digitalisierung und Wirt-
schaftsstandort sowie die koope-
rierenden Unternehmen. Dem im
Dezember 2017 gestarteten „CD-
Labor für Eisenmetabolismus und
Anämieforschung“ stehen in den
kommenden Jahren rund 900.000
Euro (davon rund 450.000 von der
öffentlichen Hand) zur Verfügung,
Industriepartner ist AOP Orphan.
Günter Weiss: „Eisen ist ein zentraler
Faktor für Stoffwechselprozesse.“
Foto:Andreas Friedle
Foto:AdobeStock