Standort Sonderausgabe 20 Jahre Standortagentur Tirol

3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 2 1 0118 STANDORT lenz“, weiß auch Henrietta Egerth, Geschäftsführerin der Österreichischen Forschungsgesellschaft (FFG). In den 1980er und 1990er Jahren stellten Standort- Analysen in ÖsterreichMängel in der Zusammenar- beit von Wirtschaft und Forschung fest. „Das führte zu Überlegungen und Formaten, wie man ein For- schungsprogramm bzw. Themen definieren kann, mit denen Wirtschaftsunternehmen und wissenschaftliche Akteure mit Unterstützung von Bund und Land For- schung betreiben können“, blickt Egerth zurück. Das Flaggschiff dieser Bemühungen ist das Kompetenzzen- trenprogramm COMET, neben ACMIT (siehe rechts) ist Tirol derzeit Teil von sieben Zentren. Egerth: „Tirol ist mit anderen Akteuren sehr gut vernetzt.“ Für die FFG-Geschäftsführerin ist COMET nicht nur wegen der bis zu siebenjährigen Förderungsdauer und der großen Anzahl der Partner das Flaggschiff, sondern „weil es den Zyklus der Forschung sehr gut skizziert: Fragestellungen aus der Wirtschaft führen zu Grund- lagenforschung, diese wiederum führt nahtlos in die Anwendung.“ Für Marcel Huber führte das K-Regio PowerBox zur Anwendung und zur Marktreife. „Wir haben uns das aber leichter vorgestellt“, gibt Huber im Nachhinein zu. 2012 stand der erste kommerzielle Prototyp im Süd- tiroler Vierschach, die Entwicklungen aus dieser Anla- ge flossen direkt in die Holzgasanlage in Dornbirn ein, die im Dezember 2014 ihren Betrieb aufnahm. „Un- ser Ausgangsmaterial muss nicht groß aufbereitet wer- den“, so der Unternehmer. Waldhackgut findet weder den Weg in die Säge noch in die Papier- oder Holzplat- tenindustrie. „Wird im Wald ein Baum gefällt, bleibt ein Drittel davon im Wald, ein Drittel bei der Säge liegen. Nur aus dem letzten Drittel wird ein Tisch“, veranschaulicht Huber seine zwei Drittel potenzieller Biomasse. Syncraft-Anlagen seien aber keine Alleinun- terhalter, schränkt er ein, vielmehr eine Ergänzung für größere Biomasseheizwerke oder Fernheizwerke. „Wir können die Strom- und Wärme-Grundlast für eine Ge- meinde liefern, wenn z.B. im Sommer die größeren Heizwerke nicht effizient ausgelastet werden können.“ Am Ende von PowerBox sei dem Team jedenfalls der Knopf aufgegangen, man wollte einen Schritt weiter. In einem zweiten K-Regio, PowerBox2 (2013 – 2016, Förderung 900.000 Euro, Projektvolumen 1,4 Millio- nen Euro) waren auch die Stadtwerke Wörgl und die IKB dabei, den Fokus legte man auf alternative Brenn- stoffe: „Wir haben viel versucht und ausprobiert, z.B. Altholz von Paletten oder getrockneten Klärschlamm.“ Um letzteren in die gewünschte Form zu bringen, hol- te man sich mit Falkner Maschinenbau ein weiteres Clustermitglied mit ins Boot, das auch eine eigene patentierte Brikettierpresse entwickelte. Mit dem Klär- schlamm-Brennstoff erzielte man – im Gegensatz zum Altholz – keine brauchbaren Ergebnisse, trotzdem, sagt Huber, war das K-Regio mit den Partnern aus den Clustern ein wichtiger Schritt. 2007 initiierte die Standortagentur Tirol ihre ersten Cluster mit dem Ziel, die Innovationsarbeit und ge- zielte Kooperationen in ausgesuchten Branchen voran- zutreiben. Heute sind rund 400 Unternehmen in fünf Bereichen (Erneuerbare Energien, IT, Life Sciences, Mechatronik und Wellness) vernetzt, unterstützt wird die Arbeit aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE). „Vor 20 Jahren differenzierten wir in Nordtirol zwischen Unterland und Oberland. Mit der EU waren wir plötzlich in Europa und konn- ten über den Tellerrand hinausschauen“, denkt An- dreas Bangheri zurück, „bei diesem Blick halfen uns die Cluster.“ Bangheris Unternehmen Heliotherm ist Clustermitglied der ersten Stunde. „Aufgrund unserer Firmenstruktur setzten wir von Beginn an sehr stark W ir sind definitiv am Markt an- gekommen“, sagt Marcel Hu- ber, sichtlich zufrieden über die Bilanz, die er ein Jahr nach Inbetriebnahme des Syncraft- Holzkraftwerks am Areal der Innsbrucker Kommu- nalbetriebe (IKB) ziehen kann. Schließlich konnte man zeigen, dass die Zusammenarbeit auch mit einem Großkunden funktioniert, „da geht es nicht um einen oder zwei Betreiber, diese Anlage wird, zusammen mit vielen anderen Anlagen der IKB, von einer 15-köp- figen Mannschaft betreut.“ In Bezug auf die Leistung habe man die Aufgabe erfüllt, in Bezug „auf die Effizi- enz sogar übererfüllt“. Luft nach oben, resümiert Hu- ber, gebe es noch beim Dauerbetrieb, der betrug rund 80 Prozent. „Normalerweise liegen wir bei 90 Prozent, für das erste Jahr ist es aber schon ganz gut“, bilanziert Huber. Mit seinen Holzkraftwerken ist Hubers Unternehmen Syncraft schon über die Landesgrenzen hinaus be- kannt, in Südtirol, in Vorarlberg und in der Steiermark stehen Syncraft-Werke. Das Prestigeobjekt sei aber, da- raus macht Huber kein Hehl, die IKB-Anlage in der Rossau. Zugute gekommen ist ihm dabei das EU-Projekt SINFONIA, mit dem in Innsbruck effiziente und smarte Energielösungen gesucht und umgesetzt werden. Da- hinter stecken aber auch eine gesunde Portion Ausdau- er und viel Entwicklungsarbeit, die Huber „mit einem tollen Team“, aber auch mit Hilfe von Förderungen durch das Land Tirol (K-Regio, Machbarkeitsstudien, Kooperationsprogramm) und Bund (aws, FFG) über- stehen konnte. Ausgangspunkt war eine Diplomarbeit im Jahr 2002, in einer Zeit also, in der GE in Jenbach noch unter dem Namen Jenbacher Werke firmierte. „Es ging damals um die Entwicklung von Systemen, damit Jenbacher Gasmotoren mit unterschiedlichen Gasen arbeiten können“, erinnert sich der Tiroler. Besonders faszinierte ihn Holz als erneuerbare En- ergiequelle. Diese Idee verfolgte Huber ab 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am MCI weiter. Die Holzkraftwerke seiner Vorstellung sollten der Wär- me- und Stromgewinnung dienen, aber auch kleindi- mensioniert sein, um dezentral vorhandene (Holz-) Ressourcen nutzen zu können. 2006 entwickelte Mar- cel Huber den Schwebefestbettvergaser, 2007 kam es zur Gründung des Spin-Offs Syncraft, 2009 begann am Gelände der Stadtwerke Schwaz der Prototyp des Syncraft-Holzgaskraftwerks zu laufen. „Die patentierte Schwebebetttechnologie war damals zwar noch nicht fertig, die heute eingesetzte ähnelt aber sehr stark der damals entwickelten Anlage“, erklärt Huber. 2009 star- tete er mit den Stadtwerken Schwaz, den Thöni Indus- triebetrieben und dem MCI im Rahmen des K-Regio- Programms des Landes Tirol das Projekt PowerBox. 700.000 Euro Fördersumme bei einem Projekt- volumen von 1,6 Millionen Euro standen für drei Jahre zur Verfügung – „K-Regio war für unsere Weiterent- wicklung eines der essenziellen Projekte.“ Als „Sprungbrett für Innovationen“ wird das K-Regio- Programm gerne bezeichnet, rund 8,9 Millionen Euro ließ sich das Land Tirol seit dem Jahr 2008 die- se Forschungsförderung kosten und konnte dafür zusätzliche 4,3 Millionen an EU-Mittel lukrieren. 36 heimische Forschungsgruppen und 84 Unternehmen profitierten davon, beim überwiegenden Teil handelt es sich um KMUs. Beratung über die Projektrichtlinien und Unterstützung bei der Antragserstellung, Einrei- chung und Suche nach Partnern sowie Hilfe bei der Projektabwicklung fanden sie dafür bei der Standort- agentur Tirol. „K-Regio ist ein regionales Format, das Kräfte bündelt und Sichtbarkeit erzeugt. Es ist ein ganz wichtiger Baustein in der Kette bis zur Exzel- Medizinroboter für präzise neurochirurgische Eingriffe sind das Forschungsobjekt des COMET K1-Zentrum ACMIT in Wiener Neustadt – tatkräf- tig unterstützt wird es dabei mit Know-how aus Tirol. Das Kitzbüheler Medtech-Unternehmen iSYS entwickeln in Zusammenarbeit mit ACMIT ein miniaturisiertes Robotersystem für die Neuro- chirurgie. Die kompakte Robotik-Innovation der iSYS platziert Biopsienadeln, Tiefenelektroden oder beispielsweise Katheter hochpräzise im Ge- hirn. Der von Michael Vogele und seinem Team entwickelte iSYS-Roboter benötigt im Vergleich zu bisherigen Systemen nur sehr wenig Platz und lässt sich von den jeweiligen Chirurgen sehr ein- fach anwenden. COMET ist ein zentrales Förderungsprogramm der österreichischen Technologiepolitik. Es dient dem Aufbau von Kompetenzzentren an ausge- wählten branchenspezifischen Standorten. AC- MIT realisiert von 2017 bis 2021 Forschungspro- jekte im Wert von 18,7 Millionen Euro, neben iSYS beteiligen sich daran auch die Tiroler Unter- nehmen MED-EL, ESD Evaluation Software Deve- lopment und Oncotyrol sowie die Tirol Kliniken, die Medizinische Universität Innsbruck und die UMIT. Die fünf Tiroler Unternehmen sind mit 2,6 Mil- lionen Euro an ACMIT beteiligt, vom Land Tirol kommen über die Standortagentur Tirol 870.000 Euro. FAENOMENAL nennt sich ein aktuelles K-Regio- Projekt (Start 2018), mit dem ein Konsortium rund um den Ionenphysiker Paul Scheier durch eine Kombination aus Nano-, Bio-, Dünnschicht- und Implantattechnologie spezielle Implantate entwickeln will. Scheier ist in der Lage, mit Hilfe einer ultrakalten Heliumquelle Nanopartikel mit exakter und reproduzierbarer Teilchenzahl herzustellen und auf Oberflächen zu deponie- ren. Im Projekt soll dies nun auf Implantatober- flächen angewendet werden. Denn fehlt dem Partikel ein Atom, holt es sich ein Elektron vom Trägermaterial und ladet die Oberfläche negativ, hat das Teilchen ein Atom zuviel, passiert das Ge- genteil und die Oberfläche ist positiv geladen. Je nach Ladung wachsen an der Oberfläche Zellen gut oder nicht an. Vorerst setzt man auf Titan und Silikon, ersteres als klassisches Material bei Hüft- und Zahnimplantaten, zweiteres als be- vorzugtes Material von MED-EL. Der Innsbrucker Hörimplantat-Produzent ist Teil des Konsorti- ums, mit an Bord sind zudem der Beschichtungs- spezialist PhysTech Coating Technology aus dem Außerfern und das MCI mit dem Department für Bio- & Lebensmitteltechnologie. K-Regio-Projekte sind eine Förderschiene des Landes Tirol und werden durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) kofinan- ziert. Die Standortagentur Tirol wickelt die regelmä- ßigen Ausschreibungen ab. REGIONALE KOOPERATIONEN BUNDESWEITE VERNETZUNG „Kooperation im Cluster ist eine Win-win-si- tuation – für einzelne Unternehmen, für eine gesamte Branche und das ganze Land.“ – Andreas Bangheri, Heliotherm „Tirol ist in Horizon 2020 ein starker Partner auf europäischer Ebene, es hat top Unter- nehmen mit einer guten Performance. “ – Henrietta Egerth, FFG – Paul Scheier, Ionenphysiker – Michael Vogele, iSYS

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYxMDA3